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In Gesetze gegossene Löcher

Abschiebungen von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen

Friedenstaube unter Beschuss

Symbolbild: redhope / flickr

„Denn du hast: Recht auf Schutz vor Gewalt, Recht auf Freizeit und Spiel, Recht zu sagen, was du willst. Recht auf Freiheit, gleiche Chance, Recht auf Heimat, ein Zuhaus´, Recht gesund zu sein!“  (Die Traumfänger)

Seit Jahren touren wir mit dieser Botschaft aus dem Kinderrechte-Musical durch die Schulklassen. Alle Kinder sollen wissen, dass sie Rechte haben. Seit 2011 sind Teile der Kinderrechte sogar in der österreichischen Verfassung verankert – ein Meilenstein!

Doch dieser Meilenstein hat zwei Haken:

  1. Die Kinderrechte sind nicht einklagbar.
  2. Aus Gründen der öffentlichen Sicherheit, Ruhe und Ordnung kann die Kinderrechtskonvention außer Kraft gesetzt werden - damit gemeint sind sämtliche Asyl- und Fremdenrechtsbelange.

Für die Kinder- und Jugendanwaltschaft Salzburg ist jedes Kind gleich viel wert. Wir machen keinen Unterschied und setzen uns für die Rechte jedes Kindes in Österreich ein!

Die Folgen daraus sind, dass wir in all den Jahren unseres Bestehens und in letzter Zeit gehäuft mit den Nöten der Kinder und Jugendlichen mit Fluchterfahrung konfrontiert sind. Wir erfahren von ihnen aus erster Hand, was sie mit ihren jungen Augen schon alles sehen mussten, was ihnen in ihrem kurzen Leben schon widerfahren ist, was sie erleiden mussten. Im Fall von drohenden Abschiebungen sind wir mit einer unfassbaren Angst bis hin zur akuten Suizidalität dieser Kinder und Jugendlichen konfrontiert.

Dieses System verursacht massive Traumatisierungen, die wir nicht mittragen können!

Diese Kinder haben sich nicht ausgesucht, Folter und Qual zu erleben. Diese Kinder haben sich die Flucht nicht ausgesucht. Aber diese jungen Menschen leisten hier in Österreich enorme Anstrengungen, mit ihrer Vergangenheit umzugehen, sich den Gegebenheiten anzupassen und ihr junges Leben zu bewältigen. Sie sind mit realen Diskriminierungen im Alltag, und wenn sie nicht unbegleitet ihr Herkunftsland verlassen müssen, auch stets mit der Traumatisierung ihren Eltern konfrontiert. Sie sind einem unglaublichen Leistungsdruck ausgesetzt, der bis hin zum Identitätsverlust - „Wo gehöre ich eigentlich hin? Wer bin ich eigentlich?“ - führt. Das Asylverfahren an sich setzt die Kinder und Jugendlichen, ob unbegleitet oder mit der Familie nach Österreich geflüchtet, enorm unter Druck: die Dauer der Verfahren, das Damoklesschwert des ungewissen Ausgangs, der drohende Auszug aus einem Jugendquartier mit 18 Jahren u. v. m.
Trotz dieser erschwerten Bedingungen gelingt es vielen, die Sprache zu erlernen und sich den Gegebenheiten anzupassen. Manche blühen auf, endlich in Sicherheit, lernen können, erstmals „frei sein“, Freundschaften zu schließen, zu sagen, was man denkt, sich „draußen“ zu bewegen - ohne Angst! Selbstverständlich verfügen nicht alle junge Menschen über dieses Ausmaß an Resilienz. Daher müssten die Hilfsangebote genau für diese Zielgruppe dringend weiter ausgebaut werden.

Der Erneute Verlust von Sicherheit

Das Schlimmste, was traumatisierten Kindern jedoch widerfahren kann, ist eine Retraumatisierung. Der Verlust jeglicher mühsam erworbener gefühlten Sicherheit, der erneute Verlust eines Zuhauses oder die permanente Angst, wieder in ein „Loch“, in eine Ungewissheit, gestürzt zu werden und der Gefahr weiterer Traumatisierungen und lebensbedrohlicher Situationen schutzlos ausgeliefert zu sein. Durch unsere Gesetze werden diese Löcher Realität, und zwar durch die beschönigend als  „Rückkehrberatungseinrichtungen“ benannten Abschiebezentren. Mittels Mandatsbescheid werden Kinder dazu verpflichtet, sich mit ihren Eltern dort einzufinden und auf ihre zwangsweise „Außerlandesbringung“ zu warten.

Keine Schule, keine Freunde, kein Zugang für Vertrauenspersonen - nur Angst! Als Betroffene/r kann man von dort von einem Tag auf den anderen „verschwinden“. Zuvor verschwinden die Kinder aber auch aus einem Verband. Sie haben Freunde, Schulkameradinnen, Trainerinnen, Lehrer und Kindergartenpädagoginnen, die zurück bleiben.

Die Heimat, die sie fürchten

Die Kinder und Familien verschwinden also in „ihre Heimat“. Damit ist das Herkunftsland gemeint, zu dem die Betroffenen oft gar keinen oder nur einen angstbesetzten Bezug haben, z. B. wenn sie selbst ZeugInnen von Übergriffen und Gewalt wurden. Es spielt in diesem subjektiven Empfinden keinerlei Rolle, ob dieses Herkunftsland seitens der offiziellen Behörden als sicher eingestuft wird oder nicht. Was zählt ist einzig das in der eigenen Biografie Erlebte.

Wie sich Abschiebungen auf Kinder auswirken, wurde bereits 2012 mit der UNICEF-Studie „Stilles Leid“ anhand des Schicksals von 164 abgeschobenen Kindern erforscht1. Die Abschiebeländer waren damals vorwiegend die Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawiens. Fast die Hälfte dieser Kinder litt an schweren Depressionen, unter Hoffnungslosigkeit und Lebensmüdigkeit. Wieviel höher noch muss diese Zahl in Ländern sein, die im Vergleich zu den Balkanländern ungleich unsicherer sind.

Kinderrechte statt Abschiebung

Aktuell wird - trotz der von vielen Hilfsorganisationen aufgezeigten menschenrechtlich katastrophalen Situation - nach Afghanistan, aber auch Tschetschenien, Nigeria usw. abgeschoben. Es ist unverständlich, warum diesen jungen Menschen das angetan wird. Schon jetzt besteht rechtlich die Möglichkeit bzw. kinderrechtliche Verpflichtung, humanitäres Bleiberecht zu gewähren.

Artikel 3 der UN-Kinderrechtskonvention besagt, dass bei allen staatlichen Maßnahmen, das Kindeswohl vorrangig zu berücksichtigen ist.

Aus Sicht der Kinder- und Jugendanwaltschaft Salzburg ist jede unfreiwillige Abschiebung junger Menschen in für sie unsichere Länder, ohne Lebensgrundlage, eine massive Kinderrechtsverletzung. Umso mehr, je länger die jungen Menschen in Österreich gelebt und all ihre Kraft und Hoffnung darauf gesetzt haben, hier in Frieden leben zu können.

1 UNICEF-Studie: http://mittelpunkt-vorarlberg.blogspot.co.at/2012/03/neue-unicef-studie-stilles-leid.html

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