Stellungnahme zum Entwurf des Insolvenzrechtsänderungsgesetz 2017 – IRÄG 2017, Bundesgesetz, mit dem die Insolvenzordnung, das Gerichtsgebührengesetz, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz und die Exekutionsordnung geändert werden, BMJ-Z13.013/0017-I 5/2017
Die Kinder- und Jugendanwaltschaften Österreichs nehmen zu den geplanten Änderungen im Privatinsolvenzrecht wie folgt Stellung:
Mit dem IRÄG 2010 wurde dem/der redlichen SchuldnerIn ein Anspruch auf Befreiung von dem nach einem Insolvenzverfahren offen bleibenden Teil seiner/ihrer Schulden zuerkannt. So hat der/die SchuldnerIn derzeit die Möglichkeit, sich im Rahmen des Abschöpfungsverfahrens mittels Zahlung einer Quote von mindestens zehn prozent binnen sieben Jahren dauerhaft von seinen Restschulden zu befreien. Aufgrund der seither gesammelten Erfahrungen in der Praxis, wonach es offenbar nur in den seltensten Fällen tatsächlich zu Entschuldungen gekommen ist, sollen nun im Zuge des IRÄG 2017 folgenden Änderungen zugunsten des/der Schuldners/Schuldnerin vorgenommen werden:
- Herabsetzung der Frist im Abschöpfungsverfahren von sieben auf drei Jahre
- Entfall der Mindestquote
Das mit diesen geplanten Änderungen im Privatinsolvenzrecht verfolgte Ziel, den/die redliche/n SchuldnerIn schneller und einfacher von seinen Restschulden zu befreien, mag aus Sicht des/der Schuldners/Schuldnerin positiv zu bewerten und in weiterer Folge auch im Interesse des gesamten Wirtschaftsgefüges sein.
Die Kinder- und Jugendanwaltschaften Österreichs weisen darauf hin, dass von den geplanten Änderungen auch Minderjährige und deren Ansprüche auf Unterhalt nachteilig berührt werden. Gesetzliche Unterhaltsansprüche (Rückstände) für die Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind Insolvenzforderungen und als solche auch nach der Insolvenzordnung zu behandeln. Folglich unterliegen diese auch den geplanten Änderungen. Unterhaltsberechtigte könnten sich (wie alle anderen Gläubiger auch) nur mehr drei anstatt sieben Jahre lang aus der Insolvenzmasse befriedigen. Darüber hinaus wäre der/die SchuldnerIn nach Ablauf der Frist jedenfalls entschuldet, ob er/sie bis dato Zahlungen geleistet hat oder nicht. Das Nachsehen haben Kinder und Jugendliche, die ihre rückständigen Unterhaltsansprüche nicht mehr ausreichend geltend machen können und dadurch gravierende finanzielle Einbußen erleiden.
Die Kinder- und Jugendanwaltschaften Österreichs sehen darin einen Widerspruch zu den BVG-Kinderrechten, welche bei allen staatlichen Maßnahmen, die Kinder betreffen, zu beachten sind. So ist in Artikel 1 vorgesehen, dass jedes Kind Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge, die für sein Wohlergehen notwendig sind, auf bestmögliche Entwicklung und Entfaltung sowie auf die Wahrung seiner Interessen hat. Zudem muss bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen öffentlicher und privater Einrichtungen das Wohl des Kindes im Vordergrund stehen.
Eine Beschränkung der Kinderrechte ist nur zulässig, wenn diese gesetzlich vorgesehen und für dienationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und die Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist. Nun wird im allgemeinen Teil der Erläuternden Bemerkungen die Erleichterung der Entschuldung von Privatpersonen damit begründet, dass der/die SchuldnerIn davor bewahrt werden soll, ins wirtschaftliche und gesellschaftliche Abseits gedrängt zu werden, was auch im Interesse des gesamten Wirtschaftsgefüges sei. Dem wirtschaftlichen Wohl des/der Schuldners/Schuldnerin und letztlich des gesamten Wirtschaftsgefüges ist jedoch aus Sicht der Kinder- und Jugendanwaltschaften Österreichs das wirtschaftliche Wohl und damit die gesicherte Existenz von Kindern und Jugendlichen entgegenzuhalten, wobei eine Interessensabwägung zugunsten der Minderjährigen, deren Rechte verfassungsmäßig geschützt sind, zu erfolgen hat.
Es wird noch einmal ausdrücklich betont, dass Unterhaltszahlungen zur Existenzsicherung von Kindern und Jugendlichen beitragen und diese durch die geplanten Änderungen eklatant gefährdet wären. Es wird daher angeregt, gesetzliche Unterhaltsansprüche von diesen Änderungen auszunehmen.