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Familienrechtsänderungsgesetz 2008

 

 

 

Stellungnahme zum Entwurf des Familienrechtsänderungsgesetz 2008 (1)Bundesgesetz, mit dem das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Ehegesetz, das Unterhaltsvorschussgesetz, das Urheberrechtsgesetz, das Mietrechtsgesetz, das Privatstiftungsgesetz, die Jurisdiktionsnorm, die Zivilprozessordnung, das Außerstreitgesetz, die Exekutionsordnung, die Notariatsordnung, das Strafgesetzbuch, die Strafprozessordnung, das Tilgungsgesetz und das Familienberatungsförderungsgesetz geändert werden.

Beistandspflicht widerspricht Kindeswohl

Bereits in unserer Stellungnahme zum Familienrechtsänderungsgesetz 2006 haben wir angeregt, die vorgesehenen Regelungen für Kinder in "Patchworkfamilien" einer breiteren ExpertInnendiskussion zu unterwerfen, um deren Bedürfnissen besser gerecht werden zu können. Der nun vorliegende Entwurf zeigt sich aber im wesentlichen bezüglich der Regelungen für Patchworkfamilien unverändert, bzw. es wurde entgegen den Empfehlungen der ExpertInnenkommission zusätzlich eine Vertretungsbefugnis für Stiefeltern aufgenommen. Der vorliegende Entwurf sieht in § 90 Abs. 3 ABGB vor, dass "jeder Ehegatte dem anderen in der Ausübung der Obsorge für dessen Kinder in angemessener Weise beizustehen und ihn zu vertreten" hat, "wenn es die Umstände erfordern". Diese Regelung steht weiterhin im Widerspruch zu der seit 2001 möglichen Obsorge beider Eltern bei geschiedenen bzw. auch bei getrennten unverheirateten Paaren. Ein Stiefelternteil ist nicht mehr wie früher – wo eine Wiederverheiratung in der Regel nach dem Ableben des Ehepartners erfolgte – grundsätzlich als Ersatz für den anderen Elternteil zu sehen, sondern vielmehr als Ergänzung zu einem außerhalb der Familie lebenden Elternteil, der eben möglicherweise auch mit der Obsorge betraut ist. Die Beziehung des Kindes zum leiblichen Elternteil ist oftmals intensiver als zum Stiefelternteil und sollte auch dann unterstützt und gefördert werden, wenn es in einer Stieffamilie lebt.

Fallbeispiel

Die Eltern eines Kindes haben bei der Scheidung die Obsorge beider Eltern vereinbart, das Kind lebt ständig bei der Mutter, der Vater hat ein 14tägiges Wochenend- Besuchsrecht. Der Kindesvater heiratet erneut, die Kindesmutter hat einen Lebensgefährten, mit dem sie mit dem Kind in einem gemeinsamen Haushalt lebt. Gemäß dem vorliegenden Gesetzesentwurf würde nun der Ehefrau des Kindesvaters, obwohl diese nicht mit dem Kind in einem gemeinsamen Haushalt lebt, eine Beistandspflicht bzw. Vertretungsbefugnis zukommen (dem Lebensgefährten der Kindesmutter dagegen nicht, obwohl dieser den engeren Bezug zu dem Kind hat). Eine derartige Regelung birgt eher die Gefahr weiterer Unstimmigkeiten, als dass dadurch eine Klärung der Situation erreicht würde. Im angeführten Fallbeispiel könnte sich etwa eine Konkurrenzsituation zwischen der Kindesmutter und der Ehefrau des Kindesvaters ergeben, die bei möglicherweise ohnehin schon angespannter Atmosphäre Anlass für weitere Konfliktsituationen bieten würde, und somit nicht zum Wohle des betroffenen Kindes wäre. Darüber hinaus lässt der abstrakte Begriff des "angemessenen Beistandes bei der Obsorge" bzw. der Vertretungsbefugnis "wenn es die Umstände erfordern" einen großen Interpretationsspielraum, der im Einzelfall wiederum weitere Konflikte unter den Beteiligten über die Rechte, Pflichten und Befugnisse des Stiefelternteiles aufwerfen kann. Aufgrund der Heterogenität des Konstruktes "Patchworkfamilie" erscheint unter dem Aspekt des Kindswohles eine flexible Gestaltungsmöglichkeit am sinnvollsten. Analog der Obsorge beider Eltern, die ja auch unabhängig von einer Ehe bestehen kann, sollte die Möglichkeit geschaffen werden, dass im Einvernehmen aller Beteiligten vereinbart werden kann, inwieweit der Stiefelternteil – auch wenn dieser mit dem Elternteil, bei dem das Kind lebt, "nur" eine Lebensgemeinschaft eingegangen ist – Rechte und Pflichten (z.B. Pflege, Vertretung, etc.) in Bezug auf das Kind übernimmt. Dazu sind auch die Kinder in altersgemäßer Form anzuhören. Die entsprechende Vereinbarung sollte vom Pflegschaftsgericht bewilligt werden, wenn sie dem Wohl des Kindes entspricht.

Diskriminierungsverbot im Unterhaltsvorschussrecht

Die Neuregelungen des Unterhaltsvorschussgesetzes (UVG) werden grundsätzlich begrüßt und befürwortet. Wenn auch § 6 Abs 2 UVG für Kinder von 0null bis sechs 6 Jahren eine Erhöhung von Unterhaltsvorschüssen vorsieht, so werden für Kinder zwischen 14 und 18 Jahren Verminderungen vorgesehen. Wenn die Erläuterungen davon sprechen, dass damit eine Angleichung an den sog. „Regelbedarf“ erfolgt, so ist dies nur für Unterhaltsberechtigte zwischen null und sechs Jahren richtig. Für Unterhaltsberechtigte zwischen 14 und 18 Jahren ergibt sich eine eindeutige Schlechterstellung und wird daher ausdrücklich abgelehnt!

Richtsätze Unterhaltsvorschuss /§ 4 Z 2, Z3 UVG)
AlterBisherEntwurfDifferenz
00 - 06 Jahre25 % 123 €40 % 195 €59 % 72 €
06 - 14 Jahre50 % 245 €50 % 245 €0 % 0 €
14 - 18 Jahre75 % 367 €65 % 317 €-14 % -50 €

Bemessungsgrundlage für 2008: Euro 488,28

Richtsatz UVG

Regelbedarf 2007/08

BisherBisherEntwurfEntwurf
AlterBetragDiff. zu Regelb.BetragDiff. zu Regelb.
00 - 03 Jahre170 €125 €-45 € -26 %195 €25 € 15 %
03 - 06 Jahre217 €125 €-92 € -42 %195 €-22 € -10 %
06 - 10 Jahre280 €245 €-35€ -13 %245 €-35 € -13 %
10 - 15 Jahre321 €245 €-76 € -24 %245 €-76 € -24 %
15 - 19 Jahre377 €367 €-10 € -3 %317 €-60 € -16 %
19 - 28 Jahre474 €----

Wenn der Gesetzgeber die Regelungen im Rahmen von § 6 UVG der Rechtsprechung (Regelbedarf) anpasst, sollte er demnach einerseits zumindest keine Schlechterstellungen gegenüber der bisherigen Situation vorsehen, andererseits aber auch die Altersgruppen im Rahmen des UVG den Regelbedarfs-Altersgruppen angleichen. Die Kinder- und Jugendanwaltschaften begrüßen die Beschleunigung zur Gewährung von Unterhaltsvorschüssen durch die Beseitigung der Voraussetzung einer erfolglosen Exekutionsführung, merken aber an, dass das ursprüngliche Ziel des Unterhaltsvorschussgesetzes nicht erreicht wird. Ursprünglicher Zweck war nämlich als Ausfallshaftung für den Fall, dass der unterhaltspflichtige Elternteil seiner Verpflichtung nicht nachkommt oder nachkommen kann, den Lebensbedarf von Kindern durch rasche Bevorschussung zu decken. Durch die Bindung des Unterhaltsvorschusses an den Exekutionstitel entsteht ein zeitraubender Prozess. In einem aufwendigen Verfahren werden sowohl die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen als auch der Bedarf des Unterhaltsberechtigten geprüft. Die Feststellung der Leistungsfähigkeit bei unkooperativen Unterhaltsschuldnern kann oft sehr lange Zeit in Anspruch nehmen. Die derzeitige Praxis, nach der der obsorgeberechtigte Elternteil lange Zeit ohne finanzielle Unterstützung auskommen muss und dann nach langer Verfahrensdauer erst die Nachzahlungsbeträge zugesprochen bekommt, geht an den Bedürfnissen des Obsorgeberechtigten und der Kinder vorbei. Es wäre zielführender, vorläufige fixe Beträge – gestafftelt nach Altersstufen – möglichst rasch zuzugestehen. Die obsorgeberechtigten Elternteile würden mit sofortiger Unterstützung rechnen können, wodurch extreme Notlagen abgewendet werden könnten. Die Tatsache, dass es keinen Unterhaltsvorschuss gibt, wenn ein Elternteil nicht unterhaltsfähig ist bzw. für Kinder, deren Vater unbekannt ist oder bei denen Vaterschaftsfeststellung nicht im Kindeswohl gelegen wäre, widerspricht zahlreichen Artikeln der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen. Artikel 2 Kinderrechtskonvention schreibt ein absolutes Diskriminierungsverbot fest; Artikel 6 gewährleistet allen Kindern gleichermaßen in größtmöglichen Umfang das Überleben und die Entwicklung; Artikel 27 sichert das Recht jedes Kindes auf einen angemessenen Lebensstandard sowie eine angemessene körperliche, geistige, seelische, moralische und soziale Entwicklung; Artikel 31 garantiert das Recht des Kindes auf Freizeit, Spiel und altersgemäße aktive Erholung sowie freie Teilnahme am kulturellen und künstlerischen Leben. Die für die Entwicklung des Kindes notwendigen finanziellen Rahmenbedingungen sicherzustellen, ist in erster Linie Aufgabe der Eltern, in zweiter Linie jedoch Sache des Staates - so steht es in dem 1992 ratifizierten UN-Überkommen über die Rechte des Kindes. Aus unserer Sicht wäre es daher dringend nötig, Unterstützungen für alle Kinder zu ermöglichen, um die in der Kinderrechtskonvention zugesicherten Rechte für sie zu gewährleisten.

Außergerichtlicher Familienausgleich

Eine verpflichtende juristische Beratung (siehe § 93 Abs. 4 Außerstreitgesetz) der scheidungswilligen EhepartnerInnen erscheint aus unserer Sicht zu wenig, um die Rechte und Bedürfnisse der betroffenen Kinder zu wahren. Kinder brauchen vor, während und nach einer Trennung oder Scheidung ihrer Eltern:

  • stabile, dauerhafte und verlässliche Beziehungen
  • eine unbelastete Beziehung zum jeweils anderen Elternteil
  • keine Stressbelastung durch Dauerstreit der Eltern
  • liebevollen Kontakt und Umgang
  • sicheren Rahmen und Geborgenheit
  • Einhaltung der Vereinbarungen
  • Klarheit über die Zukunft
  • kindgerechtes Miteinbezogenwerden
  • ernst genommen werden bei Ängsten und Nöten

Erst wenn Eltern diese Bedürfnisse erkannt haben, können dauerhaft befriedigende Lösungen in Bezug auf Regelung von Obsorge und Besuchsrecht entstehen. Die Kinder- und Jugendanwaltschaften fordern daher einen verpflichtenden "Außergerichtlichen Familienausgleich" im Vorfeld zur richterlichen Entscheidungsfindung bzw. als Voraussetzung für eine einvernehmliche Scheidung, sofern von der Scheidung Kinder betroffen sind. In diesem Rahmen soll eine Aufklärung über die Rechte und Bedürfnisse der Kinder erfolgen; durch verpflichtende Familienberatung soll die Selbstverantwortung der Eltern gestärkt und somit eine tragfähige Lösung ermöglicht werden.

Verbesserte Kontrolle bei Adoptionen

Die obligatorische Einholung von Strafregisterauskünften bei Adoptionen (§ 90 Abs. 3 Außerstreitgesetz) ist zu begrüßen. Die Kinder- und Jugendanwaltschaften Österreichs regen an, die zum gegenständlichen Gesetzesentwurf eingebrachten Änderungsvorschläge im Sinne der UN Kinderrechtskonvention umzusetzen.

1 BMJ-B4.000/0017-I 1/2008; FamRÄG 2008 198/ME (XXIII. GP)

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