***Stellungnahmen Einzelansicht***

Stellungnahme der kijas Österreichs zum Maßnahmenvollzugsanpassungsgesetz 2021

Die Kinder- und Jugendanwaltschaften Österreichs (Kijas) setzt sich für die Interessen von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen ein und erlaubt sich wie folgt Stellung zu nehmen: 

1.  Allgemeine Bemerkungen: 

Die Kijas begrüßt grundsätzlich die geplanten Veränderungen im Bereich des Maßnahmenvollzugs für Jugendliche und junge Erwachsenen. Eine Neuregelung des Maßnahmenvollzugs war bereits seit langer Zeit überfällig, da die bis dato geltenden Reglungen unweigerlich Situationen schaffen, in denen die Kinderrechte vielerseits nicht in vollem Umfang gewährleistet werden bzw. werden können. Unter der Bedachtnahme, dass mit diesem Teilpaket nun der Umsetzungsprozess, welcher ja bereits mit weitreichenden Diskussionen rund um die Reformbedürftigkeit des Maßnahmenvollzuges in Österreich im Jahr 2015 eingeleitet wurde, schlussendlich vorangetrieben wird, ist diese Tatsache, trotz der ua. in dieser Stellungnahme aufgezeigten, notwendigen Überarbeitung, in jedem Fall als positiv zu bewerten.  

Eine grundsätzliche Position, die über die allgemeine inhaltliche Kommentierung des Entwurfs hinaus, aus der Sicht der Kinder- und Jugendanwaltschaft weiterhin bestehen bleibt ist, dass der Maßnahmenvollzug als freiheitsentziehende Maßnahme für Personen unter 18 Jahren ganz generell nicht als geeignetes Mittel erscheint. Aus unserer Sicht soll diese Gruppe in keinem Fall   im   Maßnahmenvollzug   untergebracht   werden.   Vielmehr   bedarf   es   Unterbringungsmöglichkeiten wie beispielsweise betreute (sozialpädagogisch/therapeutisch/sozialpsychiatrisch)       Wohneinrichtungen. Diese Herangehensweise, die bereits in einem vorangegangenen Prozess konkret angedacht war, würde die Möglichkeit bieten, konkret auf die Bedürfnisse von Personen unter 18 Jahren einzugehen, wodurch ihre Rechte - insbesondere auf bestmögliche Entwicklung und Entfaltung - besser gefördert und gestärkt werden könnten, als dies durch Einbindung in das Regelsystem des Maßnahmenvollzugs der Fall wäre.

2.  Inhaltliche Stellungnahme:  

2.1 Einweisungskriterien und Dauer der Unterbringung:  

Als positiv hervorzuheben sind die in § 5 Z 6b JGG normierten restriktiveren Einweisungskriterien bei jungen Menschen, durch die das Problem der schwierigen Diagnose von psychiatrischen Erkrankungen bei Jugendlichen erkannt wird.  Ebenso hervorzuheben ist die engmaschigere Überprüfung der Notwendigkeit der Maßnahme die in § 17 Abs 2 JGG festgehalten wurde (alle 6 Monate). Es ist mit einem Absinken der Anzahl von eingewiesenen Personen zu rechnen. 

Ein Regelungsvorhaben, das jedoch aus unserer Sicht auf großes Unverständnis stößt, ist, dass mit dem vorgeschlagenen § 23 Abs 1a StGB nun auch terroristische Straftaten in den Regelungskomplex des Maßnahmenvollzugs eingebunden werden sollen. Hierbei möchten wir hervorheben, dass es in den –  wie oben angemerkt -    bereits lang andauernden Diskussionen rund um den Reformprozess,  bisher  unserem  Wissensstand  nach  keinen  Hinweis auf die Notwendigkeit der Implementierung der Delikte §§ 278b bis 278f StGB in die  hier angestrengten Änderungen des Maßnahmenvollzugs gegeben hat. Dabei ist das Gebiet der terroristischen Straften aus unserer Sicht als themenfremd zu werten und bereits durch Sicherungsmittel für gefährliche Rückfallstäter in ausreichendem Umfang abgedeckt.   Dringend empfohlen wird in Entsprechung der Stellungnahme des Netzwerks Kriminalpolitik[1]  zusätzlich  auch  eine  Begrenzung  der  in  §  17b  Abs  1  JGG  festgelegten  maximalen  Einweisungsdauer bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf 10 statt 15 Jahren  wie im Entwurf vorgeschlagen. 

Vorgeschlagene Änderungen zu diesem Bereich sind somit:  

•    Die nicht-Eingliederung der terroristischen Straftaten in den Regelungskomplex des Maßnahmenvollzugs;  

•    Begrenzung   der   maximalen   Einweisungsdauer   bei   Jugendlichen   und   jungen Erwachsenen auf 10 Jahre.  

2.2 Zum Verfahren: 

Positiv zu bewerten ist die Erweiterung von § 46a JGG bei dem in Abs 3, basierend auf den Überlegungen der RL für Jugendstrafverfahren, die Vernehmungssituation von jungen Erwachsenen neu geregelt werden soll. Wir begrüßen die Herangehensweise, dass es nun auch für diese Gruppe ermöglicht werden soll, dass sie nie alleine einer Vernehmungssituation ausgesetzt sein sollen. Wichtig ist es uns jedoch auch in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass auch hier darauf geachtet werden muss alle notwendigen Informationen in    einfacher    und    verständlicher    Sprache zu erteilen, um eine effektive Wahrnehmungsmöglichkeit der Rechte von jungen Erwachsenen sicherzustellen.  Hierbei muss auch weiter das Bewusstsein für die schwache und verunsichernde Situation in denen sich Jugendliche und junge Erwachsene in Verfahren befinden, gestärkt werden. Aus diesem Grund möchten wir auch auf die große Bedeutung von spezifischen Schulungen über den Umgang mit Kindern, Jugendlichen und  auch  jungen  Erwachsenen  hinweisen.  Die Forderung nach derartigen Schulungen für     das     gesamte     Personal     der Strafverfolgungsbehörden und Unterbringungseinrichtungen – die sich auch aus Art 20 der RL zu Jugendstrafverfahren ergibt – ist ein zentrales Anliegen auf das wir abermals hinweisen  wollen.  

Positiv zu bewerten ist der Regelungsvorschlag, dass in die Verfahren ausschließlich Kinder-  und Jugendpsychiater:innen als Gutachter:innen involviert werden sollen. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die persönliche Entwicklung der Jugendlichen und jungen Erwachsenen noch nicht abgeschlossen ist und sie keinesfalls mit erwachsenen Straftätern zu  vergleichen sind. 

Die KJA weist darauf hin, dass mit der Umsetzung der vorliegenden Novelle aber jedenfalls die   notwendigen   Ressourcen   verbunden   sein   müssen.   Ob   die   Unterbringung           in Krankenanstalten oder  im  Justizbereich  erfolgt,  die  Institutionen  müssen  entsprechend  ausgestattet sein, va. in Bezug auf Personal (Justizwache, Fachärzt:innen, Thearpeut:innen,  Soziale Arbeit etc), aber auch in Bezug auf jugendgerechte Räumlichkeiten. 

Im Besonderen muss der massive Mangel an Sachverständigen aus dem Fach Kinder-  und Jugendpsychiatrie betont werden, der sich bereits jetzt in den Verfahren nach dem Heimaufenthaltsgesetz zeigt. Gerade in Bezug auf die Tatsache, dass die Beiziehung von kinder- und jugendpsychatrischen Sachverständigen laut dem vorliegenden Entwurf als eines der Hauptanliegen gewertet ist, besteht unweigerlich der Bedarf, Rahmenbedingungen zu  schaffen,     in   denen   diese     im   Sinne   der   Kinderrechte   positiv   zu   bewertenden  Regelungsvorschläge   auch   effektiv   werden   können.   Hier   braucht es   dringend   eine Attraktivierung einerseits des Fachs und andererseits der Gutachtertätigkeit.  

Vorgeschlagene Änderungen zu diesem Bereich sind somit:  

•    Vermittlung aller Informationen in einer dem Alter und der Entwicklung angemessenen Art und Weise;  

•    Spezifische Schulungen über  den  Umgang  mit  Kinder,  Jugendlichen  und  jungen Erwachsenen;  

•    Dringende (!) finanzielle Ausstattung und Attraktivierung des Tätigkeitsbereiches von kinder- und jugendpsychatrischen Sachverständigen 

2.3 Situation während der Unterbringung:  

Der generellen Systematik des Entwurfes folgend, soll auch der Vollzug einer Maßnahme nach § 21 StGB betreffend der Sonderbestimmungen für Jugendliche im JGG – in concreto in § 57a  JGG – aufgenommen werden. Hierbei soll noch einmal auf die unter Punkt 1 ausgeführte, kritische Haltung  gegenüber  Unterbringungen  im  Rahmen  des  Maßnahmenvollzuges  von  Personen unter 18 Jahren hingewiesen werden.  

Zusätzlich möchten wir, Bezug nehmend auf die Erläuterungen zu § 57a Abs 2 JGG wollen wir folgendes hinterfragen: Einerseits wird aus unserer Sicht nicht klar, welche Parameter für die Beurteilung über das Bestehen eines Nachteils für Jugendliche bei der gemeinsamen  Nutzung  von  Einrichtungen  des  Strafvollzugs  herangezogen  werden.  Ohne diese zu  konkretisieren wird das Feststellen des Nachteils und das Beheben des Problems aus unserer  Sicht jedenfalls erschwert. Andererseits stellt sich uns die Frage, welche Struktur geplant ist, um ebendieses nicht-bestehen von Benachteiligungen einheitlich festzustellen.  Auch hier wäre aus unserer Sicht eine Klärung erforderlich, um die effektive Umsetzung der geplanten Regelung sicher zu stellen.  Des Weiteren sehen wir auch in Bezug auf die in § 57a Abs 3 JGG vorgesehen Entwicklungsanreize Konkretisierungsbedarf, wie diese genau ausgestaltet sein sollen. Hierbei möchten wir darauf verweisen, wie wichtig es ist ein Umfeld zu schaffen  in  dem  die  Bedürfnisse  der  Jugendlichen  tatsächlich  wahrgenommen  und  gefördert werden, um ein System zu generieren, das der Jugendkriminalität entgegenwirkt und  sachgerechte Reaktionen bereit hält, den Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen die  notwendige Unterstützung zu bieten. Um dies zu gewährleisten, wäre die interdisziplinäre Entwicklung   einer   systematischen   Herangehensweise in   Zusammenhang   mit   den  notwendigen Entwicklungsanreizen vorzuschlagen.  

Vorgeschlagene Änderungen zu diesem Bereich sind somit:  

•    Überdenken der Notwendigkeit der Implementierung von Personen unter 18 Jahren in das Regelungskonzept des Maßnahmenvollzugs, inklusive der Wahrnehmung von Überlegungen zu alternativen Unterbringungsmöglichkeiten;  

•    Konkretisierung   der   Vorstellungen   im   Bereich   des   Vollzugs,   mit   besonderer Rücksichtnahme auf die gemeinsame Nutzung von Einrichtungen und die Angebote zu Entwicklungsanreizen.  

3.  Abschließende Bemerkungen 

Insgesamt ist der Entwurf zu der Neuregelung des Maßnahmenvollzugsgesetzes auch aus kinderrechtlicher Sicht sicherlich zu begrüßen. Vergessen werden soll dabei jedoch nicht die  generelle Problematik des Maßnahmenvollzugs für Personen unter 18, sowie die weiteren  Mängel des vorliegenden Entwurfes, die ua. in dieser Stellungnahme aufgezeigt wurden. Des  Weiteren  ist  eine  Problemlage  besonders  augenscheinlich:  Die  mangelnde  finanzielle  Ausstattung. Diese ist gerade auch für Kinder und Jugendliche im Zusammenhang mit der effektiven  Gewährleistung  ihrer  Rechte  besonders  relevant.  Denn  ohne  eine  finanzielle  Ausstattung,  die  beispielsweise  notwendig  ist  um  ein  flächendeckende  kinder-  und  jugendpsychatrische Betreuung zu ermöglichen, werden sich viele aus kinderrechtlicher Sicht  zu  begrüßenden  Verbesserungen  die  dieser  Entwurf  beinhaltet,  in  der  tatsächlichen  Umsetzung nicht niederschlagen. 

Insgesamt ist somit festzustellen, dass eine Überarbeitung des Entwurfs aus der Sicht der Kijas notwendig ist. Wir freuen uns also, wenn Sie unseren Bedenken Gewicht schenken und stehen  natürlich jederzeit für weitere Rückfragen zur Verfügung. 

Für die Kinder- und Jugendanwaltschaften Österreichs

                                                                  

DSAin Dunja Gharwal, MA

Kinder- und Jugendanwältin

Mag. Ercan Nik Nafs

Kinder- und Jugendanwalt

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