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Schutzschirm für Kinder und Jugendliche in Zeiten von COVID-19

Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene sind eine von den Corona-Maßnahmen stark betroffene Bevölkerungsgruppe. Die Kinder- und Jugendanwaltschaften Österreichs setzen sich für die Interessen dieser besonders vulnerablen Gruppe ein und schlagen 15 Punkte zur Verbesserung ihrer Situation in der Corona-Krise vor.

Bunter Schirm

Symbolbild: cc 2.0 TonG FotoArt / flickr

Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene können zurzeit weder Kindergärten / Schulen / Ausbildungsstätten besuchen, noch können sie Freizeitaktivitäten ausüben oder am sozialen Leben teilhaben. Im Gesundheitsbereich sind für Kinder und Jugendliche die meisten medizinischen Leistungen wie Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen, Arztbesuche oder wichtige Therapien ausgesetzt oder drastisch reduziert. An der öffentlichen Diskussion können sie überwiegend nicht partizipieren. Einige Erleichterungen wurden für Kinder und deren Familien bereits auf den Weg gebracht (Unterhaltsvorschuss, Sozialhilfe, Stopp von Delogierungen), doch ist es gerade jetzt wichtig, Kinderrechtsverletzungen weiterhin vorzubeugen:

  1. Bei Krisenmaßnahmen Kinder und Jugendliche priorisieren
    Die derzeitigen Maßnahmen greifen essentiell in Kinderrechte ein und haben massive Auswirkungen auf die konkreten Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen und damit auch auf die Lebens- und Arbeitsumstände der Eltern und Obsorgeberechtigten. So wie in diversen Krisenstäben die Kreisläufe von Wirtschaft, Sozialem, Bildung, Arbeit, Gesundheit und Finanzen berücksichtigt werden, ist auch eine Gesamtbetrachtung der Auswirkungen jener Einschränkungen und Maßnahmen, die die Anliegen und Rechte junger Menschen fokussieren, unumgänglich.
     
  2. Kinderschutz verstärken
    Auch wenn die Kinder- und Jugendhilfe als Systemerhalterin grundsätzlich weiter arbeitet, ist sie vielerorts ausgedünnt, nur mehr im Gefährdungsabklärungsmodus und es werden MitarbeiterInnen der Jugendämter auch für andere Aufgabenbereiche eingesetzt. Auch sind viele Unterstützungsangebote für Familien, die in notwendigen direktem Kontakt stehen, reduziert oder ausgesetzt. Durch die Isolation der Familien steigt das Risiko familiärer Gewalt erheblich. Es ist sicherzustellen, dass neben den Gesundheitsbehörden auch die psychosozialen Dienste, allen voran die Jugendämter, zum Schutz der Kinder nicht heruntergefahren werden, sondern sowohl Präventionsangebote als auch Beratungsmöglichkeiten und Krisendienste für Akutfälle aufrechterhalten und ausgebaut werden. Besonders wichtig ist daher, einen sozialarbeiterischen Journaldienst mit Erfahrung in der Kinder- und Jugendhilfe zu etablieren, um gerade in der momentanen Krisensituation eine adäquate Einschätzung einer Kindeswohlgefährdung durchführen zu können. Neben häuslicher Gewalt ist die Thematik „Gewalt an Kindern – Gewalt in der Erziehung“ eigenständig zu thematisieren und in präventiven Programmen zu bearbeiten, um die breit diskutierten Befürchtungen auch zu adressieren und jene Familien zu erreichen, die online wenig mit entsprechenden Informationen versorgt werden können.
     
  3. Personalplanung in der stationären Kinder- und Jugendhilfe
    Kinder, die in Wohngemeinschaften oder Krisenzentren leben, müssen betreut werden, egal wie lange die Beschränkungen dauern und egal, wie viele Betreuungspersonen zwischenzeitlich erkranken. Deshalb ist bei der Personalplanung auf eine ausreichende Personalreserve zu achten. So sind MitarbeiterInnen frühzeitig aus anderen Bereichen wie der Jugendarbeit, Kindergarten- oder Hortpädagogik für die Mitarbeit in der stationären Kinder- und Jugendhilfe zu gewinnen. Ein täglich zu aktualisierender möglicher MitarbeiterInnenpool ist daher zu etablieren, um Ausfälle rasch und innerhalb von 24 Stunden ersetzen zu können.
     
  4. AlleinerzieherInnen
    Elternteile, die alleine ohne familiäre Unterstützung ihre Kinder versorgen müssen, sind nun besonders belastet. Es gilt, darauf vorbereitet zu sein, jene Kinder gut durch eine mögliche medizinische oder psychische Krise bzw. Erkrankung der AlleinerzieherInnen (z. B. stationärer Spitalsaufenthalt) zu begleiten und entsprechende Maßnahmen (wie z. B. ambulante Versorgung durch FamilienhelferInnen oder Unterbringung bei Pflegeeltern) vorzubereiten.
     
  5. Familienunterkünfte für geflüchtete Familien und UMF
    Unterkünfte für geflüchtete Familien sind nur teilbetreut. Die Anwesenheit von Kindern und Jugendlichen durch den Ausfall des Bildungsbetriebes verstärkt das Konfliktpotenzial in den oftmals beengten Einrichtungen. Daher ist eine personelle sozialarbeiterische bzw. sozialpädagogische Aufstockung erforderlich, um häuslicher Gewalt und Gewalt zwischen Familien vorzubeugen. Analog braucht es in den Wohneinheiten für unbegleitete geflüchtete Minderjährige personelle und finanzielle Ausstattung, die nach dem Antidiskriminierungsprinzip eine Gleichstellung mit anderen sozialpädagogischen Einrichtungen sicherstellt. Eine mehrsprachige Kommunikation muss verfügbar sein, da die derzeitige Situation einen sehr hohen Bedarf an präziser Aufklärung hat.
     
  6. Abschiebungen
    Aus Hamburg wird berichtet, dass zunächst bis Ende April keine ausreisepflichtigen Ausländerinnen und Ausländer mehr abgeschoben werden. Österreich muss diesem Beispiel folgen und jedenfalls Abschiebungen von Familien mit Kindern und Jugendlichen bis zum weltweiten Ende der Covid-19-Krise aussetzen.
     
  7. Schule während der Krise
    In der aktuellen Situation, in der voraussichtlich nahezu das gesamte Semester über nicht am Schulstandort unterrichtet und gelernt werden kann, wird auch bei bestem Engagement der Lehrpersonen die Bildung der Kinder in den nächsten Wochen und Monaten stärker als sonst von Engagement und Unterstützungsmöglichkeiten der Eltern abhängen. Bestehende massive Unterschiede, die jetzt bereits zu einer Ungleichheit führen, können sich so während der Corona-Krise verstärken. Entsprechende Problematiken können sich aus vielerlei Gründen ergeben, etwa aufgrund mangelnder Kompetenzen der Eltern, mangelnder Ausstattung der Wohnung bzw. technischer Ausstattung, Krankheit etc. Zudem befinden sich alle Schülerinnen und Schüler sowie deren Familien aufgrund der aktuellen Lage in einer emotional belastenden Situation.
    Dies macht aus kinderrechtlicher Perspektive zweierlei notwendig: erstens deutliche Bemühungen, Ungleichheiten so weit als möglich durch entsprechende Unterstützungsmaßnahmen auszuräumen und zweitens die Anpassung schulischer Lernformen. Folgende Maßnahmen sind hierzu zu setzen:

    • Finanziell benachteiligten Familien ist finanzielle Unterstützung zur Beschaffung und für das Aufsetzen von Laptops für Schulkinder zu gewähren.

    • Ebenso sind für Haushalte mit fehlendem Internetzugang Möglichkeiten zu schaffen, über Handyanbieter kostenlos Internet in jedenfalls ausreichendem Umfang für die Erledigung der schulischen Aufgaben bereitzustellen.

    • Zudem ist über das Ministerium ein einheitliches E-Learning-Programm bereitzustellen, in dem Lerninhalte, Aufgaben, Kommunikation und Termine gebündelt sind.

    • Bestehende Nachhilfeangebote sind auszuweiten und auf Onlinekommunikation umzustellen.

    • Informationen über schulische Beratungs- und Unterstützungsangebote, die telefonisch und online zur Verfügung stehen, sind zentral und mehrsprachig zur Verfügung zu stellen bzw. Eltern zu übermitteln.

    • Von der Verkürzung der Sommerferien ist Abstand zu nehmen.

    Siehe auch die Aussendung der kijas Österreich zum Thema Schule vom 30.03.2020
  8. Wiederaufnahme des Kindergarten- bzw. Schulbetriebs
    Bei der schrittweisen Wiederaufnahme des Kindergarten- bzw. Schulbetriebes gilt es, jene Kinder und Jugendlichen erstzureihen, die aufgrund ihrer sozio-ökonomischen Vulnerabilität besonders gefährdet sind, ebenso wie Kinder, deren Eltern in systemerhaltenden Berufen ohne Betreuungsmöglichkeit tätig sind. So sollten bspw. zuerst Kinder aus armutsgefährdeten oder bildungsbenachteiligten Familien (z.B. jene, die von der Kinder- und Jugendhilfe betreut werden oder die mit den Homeschooling-Angeboten nicht erreicht werden konnten) angesprochen werden.
     
  9. Schulreifefeststellungen, Schulnoten, Matura
    Für den Fall, dass bis zum Sommer keine Schulreifefeststellungen durchgeführt werden können, sind schulpflichtige Kinder in die 1. Schulstufe aufzunehmen. Auf Antrag der Eltern, dem jedenfalls eine Stellungnahme der Kindertagesstätte bzw. der Kindergruppe beizustellen ist, können Kinder der Vorschulstufe zugewiesen werden.
    Eine Benotung der Leistungen kann am Ende des Schuljahres 2019/20 nicht gerecht sein beziehungsweise wären Kinder, die zuhause unzureichende Unterstützung erfahren, noch benachteiligter, als sie es sonst schon sind. Deshalb ist zum Schutz der Schülerinnen und Schüler die Benotung für die Zeit der Corona-Krise auszusetzen. Bis zur 11. Schulstufe dürfen im Sommersemester 2020 keine Noten vergeben werden. Der Aufstieg ins nächste Schuljahr ist gewährleistet, wenn die Beurteilung im ersten Halbjahr dies rechtfertigt. Schülerinnen und Schülern, die bis zur Schulschließung in einem oder mehreren Fächern nicht oder negativ beurteilt wurden, ist eine Möglichkeit einzuräumen, ihre Noten auszubessern bzw. ihre Leistung unter Beweis zu stellen. Die zuständige Lehrperson muss dafür sorgen, dass die betreffende Schülerin bzw. der betreffende Schüler die dafür angemessene Unterstützung erhält.
    Erfolgt ein Wechsel in eine neue Schule, so ist in jedem Fall die Möglichkeit einer Aufnahmeprüfung einzuräumen.
    Die Zentralmatura ist für das Schuljahr 2019/20 auszusetzen. Die Maturaprüfung ist zu ersetzen durch die Beurteilung der in der Abschlussklasse bisher erbrachten Leistungen. Schülerinnen und Schülern, die ihre Noten verbessern wollen, ist eine freiwillige Prüfung zum jeweiligen Fach zu ermöglichen.
     
  10. Sozialarbeiterische Unterstützung der Exekutive
    Je länger die beschränkenden Maßnahmen in Kraft sind, desto mehr Jugendliche werden voraussichtlich gegen die Ausgangsbeschränkungen verstoßen und im öffentlichen Raum angetroffen werden. Die Polizei ist angehalten, notfalls mittels Strafen auf die Einhaltung hinzuwirken, Strafen sind bei Jugendlichen jedoch zumeist kontraproduktiv, hier ist vielmehr auf Wissen und Angebote der Sozialen Arbeit zu setzen. So kann die Polizei z.B. von Streetwork oder Angeboten der offenen Jugendarbeit unterstützt werden.
     
  11. Aussetzung der Untersuchungshaft für Jugendliche und junge Erwachsene
    Da der Coronavirus bereits Eingang in die Justizanstalten gefunden hat, treten die Kinder- und Jugendanwaltschaften Österreichs für eine Überprüfung der Aussetzung der Untersuchungshaft für junge Menschen ein. Die Gefahr, sich im Strafvollzug zu infizieren und andere anzustecken, ist jedenfalls bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der U-Haft mitzudenken. Nach Möglichkeit sollte von gelinderen Mitteln Gebrauch gemacht werden, z.B. Gelöbnis, Abnahme des Reisepasses, Leistung einer Kaution etc., und sollte das nicht möglich sein, so kann über den Beschuldigten ein elektronisch überwachter Hausarrest verhängt werden.
     
  12. Medizinische Versorgung
    Die medizinische Versorgungslage für Kinder und Jugendliche war bereits in den letzten Jahren zunehmend prekär. Immer weniger Vertrags-KinderärztInnen und zu wenige Kinder- und JugendpsychiaterInnen im niedergelassenen und stationären Bereich sowie fehlende Diagnostik- und Therapieplätze für Kinder mit besonderen Bedürfnissen zeichnen hier ein Bild der Vernachlässigung und Unterfinanzierung. Es gilt daher, der medizinischen Grundversorgung von Kindern und Jugendlichen unmittelbar höchste Priorität einzuräumen und PädiaterInnen entsprechend der Infektionsgefahr ausreichende Schutzausrüstung zukommen zu lassen. Gerade sozio-ökonomisch benachteiligte Familien konsultieren Vertrags-PädiaterInnen. Die Anamnese erfolgt immer im Zusammenspiel mit den jeweiligen Begleitpersonen und steigert damit die Infektionsgefahr für die ÄrztInnen und das Ordinationspersonal.
    Eine Abstimmung der pädiatrischen Angebote gilt es in jedem Bezirk sicherzustellen und den PatientInnen und ihren Eltern eine gemeinsame Darstellung der Öffnungszeiten aller KinderärztInnen verfügbar zu machen. Ebenso gilt es, die WahlärztInnen in diese Darstellung und die strategische Planung der Gesamtversorgung der Kinder und Jugendlichen während der Krise und danach solidarisch einzubeziehen, um die Versorgungswirksamkeit sicherzustellen.
    Aktuell bieten private Labors Covid-19-Testungen zu hohen Beträgen an. Die Validität dieser Tests ist sehr umstritten. Gefordert ist ergänzend die sofortige Einführung valider Antikörpertests und eine deutliche Erhöhung der gesamten Testkapazitäten. Die Auswahl und Zuweisung der zu testenden Personen muss ausschließlich durch Gesundheitsbehörden bzw. Ärztinnen und Ärzte erfolgen. Im Bedarfsfall müssen auch Kapazitäten privater Labors dafür herangezogen werden. Die Finanzierung der Testungen muss durch den Bund erfolgen.
     
  13. Bewegung versus Ausgangsbeschränkungen
    Sport und regelmäßige Bewegung ist für Kinder und Jugendliche besonders wichtig, da sie noch im Wachstum sind. Viele Kinder und Jugendliche leben mit ihren Familien auf engstem Raum und haben keine Möglichkeit, sich innerhalb der Wohnung ausreichend zu bewegen. Die Schließung der Parkanlagen und Kinderspielplätze trifft vor allem diese Kinder und Jugendlichen, insbesondere in Städten. Auf die Auswirkungen dieser Einschränkungen wird dringend verwiesen und die Bedachtnahme auf die daraus resultierenden Gefahren eingemahnt. Hier ist aus kinderrechtlicher Sicht eine gute Lösung gefordert (z. B. Öffnung von größeren Parkanlagen und Freiflächen mit ausreichend Platzangebot).
     
  14. Wohnungslosigkeit
    Die Zahl der jungen Wohnungslosen ist in den letzten Jahren gravierend angestiegen und treibt junge Erwachsene in prekäre Wohnverhältnisse, die oftmals von ständigem Wechsel des Wohnortes geprägt sind. Junge Erwachsene und Mütter mit Kindern zählen zu den vulnerabelsten Personengruppen und brauchen daher in Zeiten der Ausgangsbeschränkungen zusätzliche Angebote zur Minimierung der Ansteckungsgefahr. Mögliche Kooperationen mit Hotelleriebetrieben oder ähnlichen Angeboten sollten erwogen werden. Hier wurden bereits in anderen Staaten gute Erfolge verzeichnet. Damit werden die Ausgangsbestimmungen erfüllt und die Personengruppe hat gleichzeitig die Möglichkeit, den Strapazen des sonst anstrengenden Alltags zumindest im Hinblick auf die Unterkunft zu entfliehen. Auch würde dies wahrscheinlich finanziell eine günstige Variante darstellen.
     
  15. Armut
    Von Armut betroffene Familien sind von der derzeitigen Ausgangsbeschränkung und den verstärkten Kündigungen bzw. Kurzarbeitsmodellen massiv betroffen und laufen damit unweigerlich Gefahr, lebensnotwendige Einkäufe nicht mehr tätigen zu können, ihre Mieten nicht bezahlen zu können etc. Jene Familien, die bisweilen keine Krankenversicherung hatten, sind nun zusätzlich belastet und brauchen eine Eingliederung in Krankenversicherungsstrukturen. Daher ist es unabdingbar, Sondermittel für Familien, die von Armut betroffen bzw. bedroht sind (im Zusammenwirken mit den Bundesländern Aufstockung bzw. Einführung von Sonderbedarfsmitteln in der Mindestsicherung), bereitzustellen.
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