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Wenn Kinder ins Ausland müssen

Wenn die Eltern sich scheiden lassen und in unterschiedlichen Ländern leben, wird das Kindeswohl oft strapaziert. Manchmal kommt es sogar zur Kindesentführung oder zur Kindesrückführung gegen den Kindeswillen. Im Verfahren muss unbedingt ein Kinderbeistand eingesetzt werden.

Bezug: BMJ-Z32.028/0009-I 10/2017
Bundesgesetz, mit dem das Außerstreitgesetz, die Jurisdiktionsnorm, das Gerichtsgebührengesetz, das Sicherheitspolizeigesetz und das Auslandsunterhaltsgesetz 2014 geändert sowie das Bundesgesetz vom 09. Juni 1988 zur Durchführung des Übereinkommens vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung aufgehoben werden (Kinder-RückführungsG 2017 – KindRückG 2017)

Eine Trennung oder Scheidung der Eltern ist für betroffene Kinder immer ein einschneidendes Erlebnis. Oft sind diese Kinder massiven Loyalitätskonflikten ausgeliefert. Besonders schwerwiegende Folgen kann diese Situation dann haben, wenn sich die Eltern in unterschiedlichen Ländern aufhalten und der Tatbestand der Kindesentführung verwirklicht sein könnte. Aus kinderrechtlicher Sicht gilt es daher, den Rahmen dafür zu schaffen, dass in allen familienrechtlichen Verfahren, insbesondere auch bei grenzüberschreitenden Sachverhalten, das Kindeswohl als leitender Gesichtspunkt bestmöglich gewährleistet wird. Dazu tragen auch Regelungen zur Vereinfachung und Beschleunigung der Verfahren bei.

Die Kinder- und Jugendanwaltschaften Österreichs begrüßen grundsätzlich den vorliegenden Gesetzesentwurf und die damit verbundene Rechtsbereinigung, mit der höchstgerichtliche Entscheidungen umgesetzt werden. Besonders positiv gesehen werden die folgenden vorgeschlagenen Regelungen:

  • Das Bekenntnis zur vorrangigen Berücksichtigung des Kindeswohls
  • Die wiederholte Betonung der besonderen Dringlichkeit von Rückführungsanträgen
  • Die Verpflichtung des Gerichtes, eine einvernehmliche Lösung der Eltern
    herbeizuführen (§ 111c Abs 5 AußStrG)
  • Die Möglichkeit, durch die Sicherheitsbehörden den Aufenthalt des Kindes erheben
    zu lassen, auch wenn kein Straftatbestand vorliegt (§ 111c Abs 2 AußStrG)
  • Die Beschleunigung des Verfahrens durch …
  1. Verbindung der Anordnung der Rückführung und der Vollstreckungsanordnung dazu in einem einzigen, daher nur einmal anfechtbaren und sogleich vollstreckbaren Beschluss als Regelfall (§ 111c Abs 5 AußStrG)
  2. Einschränkung neuerlicher Einwendungen im Vollstreckungsstadium (§ 111d Abs 2 AußStrG)
  3. Möglichkeit für das zuständige Gericht bei Anträgen in das Ausland den Antrag, sofern er nicht verbessert werden kann, ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen (§ 111b Abs 3 AußStrG)

Die Kinder- und Jugendanwaltschaften Österreichs begrüßen die Beibehaltung der Möglichkeit auf Inanspruchnahme von psychosozialer Prozessbegleitung bei Rückführungsanträgen in das Ausland (§ 111a Abs 3 AußStrG). Allerdings erscheint in diesem Zusammenhang die Normierung einer ausdrücklichen gesetzlichen Verpflichtung zur Information der antragsstellenden Partei von Amts wegen über die Möglichkeit der psychosozialen Prozessbegleitung unbedingt geboten.

Kontakt zum anderen Elternteil

Die Ermächtigung des Rückführungsgerichtes, in jeder Lage des Rückführungsverfahrens Maßnahmen zur Gewährleistung von Kontakten zwischen dem zurückgelassenen Elternteil und dem zurückzustellenden Kind (§ 111c Abs 6 AußStrG) zu setzen, ist aus kinderrechtlicher Sicht grundsätzlich positiv zu bewerten. Kinder haben das Recht auf Kontakt zu beiden Elternteilen. Selbstverständlich muss aber auch hier das Kindeswohl
vorrangig berücksichtigt werden – diese Verpflichtung ergibt sich sowohl aus Artikel 3 der UN-Kinderrechtskonvention als auch aus Artikel 1 des Bundesverfassungsgesetzes über die Rechte von Kindern.

Aus Gründen der Rechtssicherheit empfehlen die Kinder- und Jugendanwaltschaften jedoch, in § 111c Abs 6 AußStrG explizit zu erwähnen, dass diese Maßnahmen nur insofern zu gewährleisten sind, als dadurch das Kindeswohl nicht gefährdet ist. Eine Kindeswohlgefährdung liegt auch dann vor, wenn das Kind ausdrücklich keinen Kontakt zum zurückgelassenen Elternteil will und dieser Wille auch klar zum Ausdruck gebracht wird. Die Ermittlung des Kindeswohls muss sich auch am Willen des Kindes orientieren. Kinder haben ein Recht darauf, dass ihr Wille gehört und entsprechend ihrer Einsichts- und Urteilsfähigkeit berücksichtigt wird. Dieses Recht ist auch in § 105 AußStrG explizit erwähnt.

Kinder ab 14 Jahren sind darüber hinaus in Verfahren über die Pflege und Erziehung oder über das Recht auf persönlichen Kontakt selbstständig verfahrensfähig. Ab 14 Jahren können Kinder nicht mehr gegen ihren Willen zum Kontakt mit einem Elternteil gezwungen werden. Diese Bestimmungen des 7. Abschnittes des II. Hauptstückes des AußStrG gelten bereits und sollen auch nach wie vor für die Verfahren nach dem HKÜ (Kindesrückführung nach dem Haager Abkommen) gelten (§ 111d Abs 1 AußStrG).

Kinderbeistand soll verpflichtend werden

In der Praxis sind die Kinder- und Jugendanwaltschaften Österreichs leider immer wieder mit Fällen von groben Kinderrechtsverletzungen konfrontiert, da u. a. die genannten Grundsätze des AußStrG nicht eingehalten werden. In diesem Zusammenhang ist eine Entscheidung des OGH vom 15.12.2014, 6 Ob 217/14a, zum HKÜ zu erwähnen. In der höchstgerichtlichen Begründung wird sinngemäß ausgeführt, dass die Kinder auch gegen ihren Willen von Österreich nach Spanien rückgeführt werden können, da es sich um eine Ermessenssache handle. Das Gericht habe Authentizität und Ernsthaftigkeit der von den Kindern geäußerten Wünsche zu prüfen - der Kindeswille sei aber nicht bindend. Umso mehr sorgt diese Entscheidung für Unverständnis, da die betroffenen Kinder zum Zeitpunkt ihrer gerichtlichen Anhörung (BG Wels) bereits zehn und zwölf Jahre alt waren, den Kindern vom Gericht kein Kinderbeistand bestellt wurde und sie bis zur tatsächlichen Vollstreckung ein Jahr später wiederholt ihren Willen, nicht nach Spanien zurückkehren zu wollen, geäußert haben.

§ 111d Abs 1 AußStrG verweist auf die Anwendbarkeit der Bestimmungen des 7. Abschnittes des II. Hauptstückes des AußStrG. Im Hinblick auf die Erfahrungen mit der Rechtspraxis wird darüber hinaus folgende Ergänzung angeregt: „In Verfahren nach dem HKÜ ist verpflichtend ein Kinderbeistand nach § 104a AußStrG zu bestellen.“
Ebenso erscheint es sinnvoll, auch in den Erläuterungen auf die Anwendbarkeit der zentralen kinderrechtlichen Bestimmungen des 7. Abschnittes des II. Hauptstückes des AußStrG in Verfahren nach dem HKÜ explizit einzugehen. § 104a AußStrG ermöglicht die Bestellung eines Kinderbeistandes in hoch strittigen Obsorge- oder Kontaktrechtsverfahren. Ein Verfahren nach dem HKÜ ist ohne Zweifel ein hoch strittiges Pflegschaftsverfahren. Die Kinder sind einem massiven Loyalitätskonflikt ausgesetzt, sie müssen ihr Zuhause, ihre FreundInnen zurücklassen und sich in einem neuen Land, einer neuen Kultur zurecht finden. Gerade in dieser Zeit brauchen sie jemanden, der für sie da ist, der ihnen zuhört und für sie Partei ergreift. Diese Aufgabe kann der Kinderbeistand übernehmen. Der Kinderbeistand dient der Unterstützung der Kinder im Verfahren und vor allem bei der Artikulation ihres authentischen Willens. Der Kinderbeistand bringt ausschließlich den Kindeswillen in ein Verfahren ein, ohne auf das Kindeswohl im Gesamtkontext oder auch sonstige Entscheidungsmaßnahmen eingehen zu müssen. Die Kinderbeistandsbegleitungen zeigen, dass es vor allem der möglichst authentisch übermittelte Wille der Kinder ist, der bei Eltern zu einem Überdenken ihrer Handlungen beitragen kann.

Obsorge- und Kontaktrechtverfahren

Da es sich beim Kinderbeistand jedoch bislang leider um kein obligatorisches/verpflichtendes Rechtsinstrument handelt, kommt es gerade bei zwischenstaatlichen familienrechtlichen Vollstreckungsverfahren noch kaum zum Einsatz. Deshalb treten die Kinder- und Jugendanwaltschaften Österreichs korrespondierend zu der angeregten Neufassung des § 111d Abs 1 AußStrG auch für eine Novellierung des § 104a leg. cit. ein. Der Kinderbeistand soll in allen Obsorge- und Kontaktrechtsverfahren bestellt werden können. In hoch strittigen Obsorge- und Kontaktrechtsverfahren, insbesondere jene mit Auslandsbezug, soll er verpflichtend zu bestellen sein. Kinder haben das Recht auf bestmöglichen Schutz und Unterstützung. Mit dem Kinderbeistand kann dies in Pflegschaftsverfahren gewährleistet werden.

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