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Stellungnahme zum Strafrechtsänderungsgesetz 2015

Das Strafrechtsänderungsgesetz benennt Zwangsheirat & Cybermobbing erstmals als eigene Straftatbestände, die sexuelle Integrität soll besser geschützt werden.

Die Kinder- und Jugendanwaltschaften Österreichs erlauben sich, zu o. a. Gesetzesentwurf folgende Stellungnahme abzugeben:

KIJAS weiterhin für Diversion

Zu Art 1 Z 4 (§ 33 Abs. 2 StGB) und Art 3 Z 9 (§ 198 Abs. 2 Z 1 StPO)

Der Erweiterung des Kataloges der in § 33 demonstrativ aufgezählten Erschwerungsgründe um die „Begehung in Gegenwart einer unmündigen Person“, ist aus unserer Sicht positiv zu beurteilen. Wir erhoffen uns davon eine sukzessive Sensibilisierung und Steigerung des allgemeinen Verantwortngsbewusstseins gegenüber unmündigen Personen. Indes halten wir es für zielführend, den Erschwerungsgrund des § 33 Abs. 2 StGB auch auf die Begehung von Straftaten gegen mündige Minderjährige oder in Gegenwart derselben auszudehnen. Mündige Minderjährige sind vor allem deshalb genauso schutzbedürftig, weil auch sie zumeist noch nicht ausreichend zu moralischer und persönlicher Reife gelangt sind, die Bedeutung der Tat allerdings besser abschätzen können als Unmündige, sodass gerade im Falle von Straftaten gegen oder in Gegenwart von mündigen Minderjährigen mit einem besonders negativen Einfluss auf deren Entwicklung zu rechnen ist.
Dass die Anwendbarkeit dieses Erschwerungsgrundes auf Vorsatztaten beschränkt wird, erscheint konsequent. Wir erlauben uns allerdings kritisch anzumerken, dass diese Beschränkung noch weiter gehen sollte und der Erschwerungsgrund auch auf jene Vorsatztaten, bei denen der/die TäterIn die Gegenwart einer unmündigen Person ohne sein/ihr Verschulden oder nur leicht fahrlässig nicht in seinen/ihren Vorsatz aufnahm, nicht zur Anwendung kommen sollte, um so dem Schuldgehalt der Tat besser Rechnung tragen zu können.
Wir stellen diese Forderung insbesondere auch in Hinblick auf den in der StPO beabsichtigen Ausschluss der Diversion bei Vorliegen des gegenständlichen Erschwerungsgrundes. Es erscheint uns zwar konsequent und systemtreu, das Vorliegen dieses Erschwerungsgrundes als „schweres Verschulden“ zu normieren, doch sollte ein schweres Verschulden nicht einfach pauschal fingiert, sondern die Möglichkeit einer Differenzierung geschaffen werden. Trotz grundsätzlicher Zustimmung erscheint es uns nämlich keinesfalls angemessen, die Möglichkeit eines diversionellen Vorgehens auch in jenen Fällen auszuschließen, in denen der/die TäterIn die Gegenwart einer unmündigen Person ohne jedes Verschulden bzw. lediglich leicht fahrlässig nicht in seinen/ihren Vorsatz aufnahm.

Gemäß dem neuen § 198 Abs. 2 Z 1 StPO soll ein diversionelles Vorgehen bei Vorliegen der Erschwerungsgründe des § 33 Abs. 2 oder 3 StGB generell ausgeschlossen sein. Das bedeutet, dass Strafverfahren bei Straftaten unter Anwendung von Gewalt oder einer gefährlichen Drohung gegen eine minderjährige Person oder in Gegenwart einer solchen (§ 33 Abs. 2 StGB) sowie im Falle bestimmter Formen häuslicher Gewalt (§ 33 Abs. 3 StGB) nicht mehr diversionell erledigt werden können. Aus Sicht des Opferschutzes ergeben sich unserer Meinung nach allerdings erhebliche Bedenken gegen einen solchen generellen Ausschluss eines diversionellen Vorgehens bei Vorliegen der gegenständlichen Erschwerungsgründe. Wir möchten darauf hinweisen, dass - wie Studien belegen - insbesondere der Tatausgleich und die Probezeit in Verbindung mit entsprechenden Weisungen in bestimmten Fällen von häuslicher Gewalt durchaus geeignete, in der Praxis bewährte, Instrumente darstellen und sich auch aus Sicht des Opfers als beste Lösung im Umgang mit der begangenen Straftat erweisen können. Dies gilt in Fällen häuslicher Gewalt unter anderem auch in Hinblick auf die bei Durchführung einer Hauptverhandlung relativ hohe Zahl an Freisprüchen, welche auf eine Inanspruchnahme des hier häufig möglichen Aussageverweigerungsrechtes zurückzuführen ist. Da ein bei Durchführung eines Hauptverfahrens wahrscheinlicher Freispruch zumeist das für das Opfer unangenehmste Ergebnis darstellt, erscheint die Möglichkeit eines einem Hauptverfahren vorgelagerten Tatausgleichs aus Opferschutzgründen durchaus geboten. Ein genereller Ausschluss einer Diversion würde nicht nur dem/der TäterIn, sondern vor allem auch dem Opfer die Möglichkeit auf einen Tatausgleich verwehren. Im Übrigen sollte eine diversionelle Erledigung nur in Fällen von schwerer und brutaler Gewalt, sowie bei langandauernden Gewaltbeziehungen mit klarem systematischem Gewalt- und Kontrollverhalten, generell unzulässig sein. Hierfür würde es aber keiner Änderung der StPO bedürfen, zumal in diesen Fällen von einem schweren Verschulden auszugehen ist und eine diversionelle Erledigung daher ohnedies ausgeschlossen ist.

Schutz des höchstpersönlichen Lebensbereiches

Zu Art 1 Z 11 (§ 74 Abs. 1 Z 5 StGB)

Der geplanten Erweiterung der Tatbestandsmäßigkeit der „Gefährlichen Drohung“ um eine Drohung mit einer Verletzung des „höchstpersönlichen Lebensbereiches“ stehen wir grundsätzlich positiv gegenüber. Da auch eine Drohung mit einem Eingriff in den von Art. 8 EMRK erfassten Schutzbereich - dazu zählt unter anderem insbesondere die sexuelle Sphäre - zumeist geeignet ist, bei Bedrohten berechtigte Besorgnis zu erregen, war eine Ergänzung der in § 74 Abs. 1 Z 5 StGB aufgezählten Rechtsgüter um den höchstpersönlichen Lebensbereich längst notwendig, um dem gesamten Spektrum möglicher strafwürdiger Drohungen Rechnung zu tragen.

Der Umstand, dass hinsichtlich des höchstpersönlichen Lebensbereiches nur eine Drohung mit einer Verletzung desselben, nicht aber die Verletzung selbst - hinsichtlich der übrigen Rechtsgüter (Körper, Ehre, Freiheit, Vermögen) aber sowohl eine Drohung mit einer Verletzung als auch eine Verletzung selbst - vom StGB unter Strafe gestellt wird, lässt allerdings einen auffälligen Wertungswiderspruch entstehen. Es ist nämlich nicht einzusehen, warum beispielsweise eine Drohung mit der Veröffentlichung von Nacktfotos strafbar, die tatsächliche Veröffentlichung solcher Fotos unter Umständen aber straffrei bleiben sollte. Um eine entsprechende Konsistenz zu erreichen, schlagen wir daher vor, weitere Straftatbestände zu schaffen, die ihrer Bestimmung nach dem Schutz des höchstpersönlichen Lebensbereiches dienen. Wir möchten darauf hinweisen, dass das Vorliegen einer gefährlichen Drohung aufgrund ihrer Eignung beim Bedrohten berechtigte Besorgnis zu erregen - ungeachtet etwaiger Probleme hinsichtlich des Bestimmtheitsgrades der gesetzlichen Formulierung - unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu beurteilen sein wird. Allgemein wird man aber festhalten können, dass von einer solchen „Eignung berechtigte Besorgnis zu erregen“ eher auszugehen ist, wenn es sich bei den bedrohten Personen um Kinder, Jugendliche oder auch junge Erwachsene handelt, zumal in diesem Fall eine geringere emotionale und persönliche Reife der Bedrohten, sowie deren gewöhnlichen sozialen Umfeldes anzunehmen ist. Eine Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs hat für die genannte Personengruppe daher im Allgemeinen schwerwiegendere Folgen.

Fahrlässige Körperverletzung

Zu Art 1 Z 19 (§ 83 Abs. 2 StGB)

Erfreulich ist auch die Senkung des Strafmaßes für all jene Fälle einer Körperverletzung, in denen der/die TäterIn lediglich mit Misshandlungsvorsatz handelt und eine Verletzung am Körper nur fahrlässig herbeiführt, weil dadurch dem unterschiedlichen Unwertgehalt der alternativen Begehungsweisen einer Körperverletzung bereits durch den Gesetzgeber ausdrücklich Rechnung getragen wird und der geringere Unwertgehalt der fahrlässigen Körperverletzung mit Misshandlungsvorsatz nicht mehr erst bei Strafbemessung durch das Gericht zu berücksichtigen sein wird. Die Gerichte sind nunmehr dazu angehalten, im Zweifel vom niedrigeren Strafsatz des § 83 Abs. 2 StGB Gebrauch zu machen, da eine fälschliche Unterstellung eines Verletzungsvorsatzes und eine damit verbundene Anwendung des falschen Straftatbestandes jedenfalls den Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs. 1 Z 10 StPO darstellen würde. Dies soll vor allem Jugendlichen zugutekommen, da diese allgemein weniger in der Lage sind, die Folgen ihres Handelns abzuschätzen, sodass hier im Zweifel viel eher von § 83 Abs. 2 StGB Gebrauch gemacht werden muss. Denn ein Verletzungsvorsatz wird einem/r TäterIn umso weniger unterstellt werden dürfen, je weniger er/sie zur Abschätzung der Folgen seines/ihres Handelns in der Lage ist.

Zwangsheirat

Zu Art 1 Z 41 (§ 106a StGB)

Die Einführung des neuen Straftatbestandes der Zwangsheirat in § 106a StGB, welcher als lex specialis zur Nötigung ein höheres Strafmaß als diese vorsieht, ist aus Sicht der Kinder- und Jugendanwaltschaften deshalb zu begrüßen, weil es sich bei den Opfern von Zwangsheiraten zumeist um minderjährige und damit äußerst schutzbedürftige Mädchen handelt.

Cybermobbing

Zu Art 1 Z 49 (§ 120a StGB)

Erfreulich ist auch die Einführung des neuen Straftatbestandes der „Fortgesetzten Belästigung im Wege einer Telekommunikation oder eines Computersystems“ zur Erfassung des Phänomens „Cybermobbing“. Aufgrund der bei Jugendlichen besonders stark ausgeprägten Vernetzung in „social media“ sind diese wohl am häufigsten von Cybermobbing betroffen. Da die psychische Belastung für die Opfer von Cybermobbing, insbesondere wenn es sich hierbei um Kinder und Jugendliche handelt, besonders massiv ausfallen kann, sodass in den meisten Fällen mit einer Beeinträchtigung der psychischen Gesundheit zu rechnen ist, zeigt sich für uns ein dringendes Schutzbedürfnis. Die Schaffung eines entsprechenden Straftatbestandes sollte zu einer allgemeinen Sensibilisierung für den Unwertgehalt der vom Straftatbestand erfassten Verhaltensweisen führen. Die in § 30 Abs. 1 StGB begründte (Sonder-)Zuständigkeit des/der EinzelrichterIn des Landesgerichtes, welche trotz des relativ geringen Strafmaßes einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr - wofür grundsätzlich das Bezirksgericht zuständig wäre - den besonderen Unwert der Tat zum Ausdruck bringen soll, kann hierzu ebenfalls einen wirksamen Beitrag leisten.

Aufgrund der für die „Opfer“ von Cybermobbing bestehenden extremen Belastung, die in schweren Fällen zur systematischen Beeinträchtigung der Persönlichkeit des Opfers führen kann, regen wir eine Erweiterung des in § 65 Z 1 lit. b und b StPO normierten Opferbegriffes an, sodass auch die „Opfer“ von Cybermobbing unter den gesetzlichen Opferbegriff subsumiert werden und in weiterer Folge gemäß § 66 Abs. 2 StPO in den Genuss von Prozessbegleitung kommen können.

Geld oder Leben?

Zu Art 1 Z 56 bis 58 etc. ( § 126 Abs. 1 Z 7 und Abs. 2 StGB etc.)

Wir schließen uns den Erläuterungen zum Gesetzesentwurf an und betrachten das inzwischen als solches erkannte Missverhältnis zwischen den Strafdrohungen bei Delikten gegen Leib und Leben sowie die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung einerseits und Vermögensdelikten andererseits aufgrund einer veränderten allgemeinen Wertehaltung ebenfalls nicht mehr als zeitgemäß. Da es sich bei Vermögensdelikten um eine für Jugendliche und junge Erwachsene typische Deliktsgruppe handelt, begrüßen wir die vorgesehene allgemeine Anhebung der für die Anwendung der jeweiligen Wertqualifikationen festgesetzten Grenzwerte, welche im Ergebnis zu einer Senkung der für die Begehung von Vermögensdelikten zu verhängenden durchschnittlichen Strafhöhe führen sollte.

Berufsmäßig statt erwerbsmäßig

Zu Art 1 Z 10 (§ 70 StGB)

Eine Entschärfung der bei Vermögensdelikten zu verhängenden Strafen bringt auch die Präzisierung des Qualifizierungstatbestandes der Berufsmäßigkeit, mit dem der Tatbestand der Gewerbsmäßigkeit terminologisch abgelöst werden soll. Entgegen der bisherigen Rechtsprechung soll es künftig nämlich nicht mehr möglich sein, „Berufsmäßigkeit“ bereits bei einmaliger Begehung anzunehmen. Vielmehr setzt „Berufsmäßigkeit“ die Begehung zumindest zweier Vortaten innerhalb der letzten zwölf Monate voraus. Darüber hinaus reicht der Vorsatz des Täters auf Erwirtschaftung eines „geringfügigen fortlaufenden Einkommens“ für die Annahme von Berufsmäßigkeit nicht mehr aus. Zumal ein Einkommen von monatlich ca. 100,- Euro nach den Erläuterungen zum Gesetzesentwurf noch als geringfügig zu betrachten ist, versprechen wir uns von der Neuregelung, dass vor allem Jugendliche und junge Erwachsene von der – bei Betrachtung des Einzelfalls im Ergebnis oft überschießenden - Anwendung entsprechender Qualifikationen geschützt werden.

Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung

Zu Art 1 Z 153 (§ 205a StGB)

Vorweg gilt es festzuhalten, dass der Gesetzgeber mit den beabsichtigten Änderungen vor allem im Sexualstrafrecht (teilweise) versucht, seiner völkerrechtlichen Verpflichtung zur Umsetzung des Übereinkommens des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (BGBl III 164/2014) nachzukommen. Zumal insbesondere auch Kinder und Jugendliche direkt und indirekt vom Schutzbereich dieses Übereinkommens erfasst sind, stößt das gesetzgeberische Bemühen bei uns auf Zustimmung. So stellt etwa die Einführung des neuen Straftatbestandes der Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung in § 205a StGB einen bedeutenden Schritt in der Umsetzung des angesprochenen Europarat-Übereinkommens dar. Wenn dieser Straftatbestand auch zu einer Sensibilisierung für den Wert der sexuellen Selbstbestimmung beitragen mag, erlauben wir uns auf das Problem der Justiziabilität dieser Bestimmung und ein damit einhergehendes Defizit hinsichtlich des Opferschutzes aufmerksam zu machen. Die Erfüllung des Straftatbestandes der ersten Begehungsweise (Beischlaf oder diesem gleichzusetzende geschlechtliche Handlung ohne Einverständnis des Opfers) hängt vom Vorliegen eines doppelt-subjektiven Tatbestandselementes ab. Zunächst hat das Gericht nämlich zu prüfen, ob die Einwilligung des Opfers in die Vornahme des Beischlafs oder einer diesem gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung vorliegt und sodann ob der/die TäterIn die mangelnde Einwilligung des Opfers in seinen/ihren Vorsatz aufnahm. Da die Tatbestandsmäßigkeit von keiner weiteren Handlung abhängt, die auf ein mangelndes Einverständnis des Opfers schließen ließe, werden die Gerichte bei der Beurteilung der subjektiven Tatseite vor große Herausforderungen gestellt. Im Zweifel werden sie immer von einem entsprechenden Einverständnis des (vermeintlichen) Opfers ausgehen müssen. Wenn bei Sexualdelikten aufgrund der Schwierigkeiten im Beweisverfahren die Anzahl der mit einem Freispruch endenden Verfahren ganz allgemein schon außergewöhnlich hoch ist, so ist damit zu rechnen, dass dies für § 205a Abs. 1 erster Fall StGB umso mehr gelten wird.

Aus Sicht des Opferschutzes erlauben wir uns daher kritisch anzumerken, dass es für das Opfer im Falle eines Freispruches oftmals eine geringere psychische Belastung bedeutet hätte, wenn ihm ein entsprechendes Strafverfahren von vornherein erspart geblieben wäre. Aus der geringen Justiziabilität der ersten Begehungsweise des neuen § 205a Abs. 1 StGB ergeben sich daher aus Sicht des Opferschutzes erhebliche Bedenken gegen seine Einführung.

Leichter zu handhaben zeigt sich die zweite Begehungsweise des § 205a Abs. 1 StGB. Hier hängt die Strafbarkeit des/der TäterIn vom Vorliegen eines objektiven Tatbestandelementes ab, nämlich der Ausnützung einer Zwangslage des Opfers bzw. dessen Einschüchterung durch den/die TäterIn. Verglichen mit der ersten Begehungsweise ist in diesen Fällen daher eher zu erwarten, dass das Beweisverfahren ein brauchbareres Ergebnis liefert. Die Einführung des § 205a StGB könnte eine weitere Ausweitung des Opferschutzes mit sich bringen. Nunmehr soll es für die Strafbarkeit nämlich genügen, wenn das Opfer aufgrund einer Einschüchterung durch den/die TäterIn sein Einverständnis zum Beischlaf oder zu einer dem Beschlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung erteilt. Vor allem Kinder und Jugendliche lassen sich aufgrund mangelnder persönlicher Reife im Allgemeinen leichter einschüchtern als Volljährige. Bei der Beurteilung des Vorliegens einer Einschüchterung wird im Falle von Kindern und Jugendlichen daher ein geringerer Maßstab anzuwenden sein. Was die Definition des Tatbestandelementes der Einschüchterung betrifft, so wird wohl auf die einschlägige Literatur und Judikatur zu § 104a StGB verwiesen werden können.

Po-Grapschen

Zu Art 1 Z 166 (§ 218 Abs. 1 Z 1 StGB)

Mit der Erweiterung des Tatbildes der sexuellen Belästigung auf „der sexuellen Sphäre im weiteren Sinn zugehörige körperliche Handlungen, die der Art und Intensität nach einer geschlechtlichen Handlung vergleichbar sind“, wird versucht, die Ziele der Europaratskonvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt sowie der EU-Gleichbehandlungsrichtlinie 2006/54/EG zu erreichen. Beiden Dokumenten ist zu entnehmen, dass sie zur Vermeidung sexueller Belästigung nicht zwingend strafgerichtlichen Schutz vorsehen, sondern andere geeignete Sanktionen, wie etwa zivilrechtlichen oder verwaltungsstrafrechtlichen Schutz, genügen lassen. Eine „der sexuellen Sphäre im weiteren Sinn zugehörige und der Art und Intensität nach einer geschlechtlichen Handlung vergleichbar körperliche Handlung“ ist wegen ihres geringen Bestimmtheitsgrades als normativer Rechtsbegriff besonders auslegungsbedürftig und stellt die Rechtsprechung abermals vor große Herausforderungen. Die Grenze zwischen Erfüllung und Nichterfüllung des Tatbildes der sexuellen Belästigung mag dabei schwer zu ziehen sein, sodass besonderes Fingerspitzengefühl erforderlich ist. Um eine exzessive Kriminalisierung des gewöhnlichen Alltagslebens zu vermeiden, wird bei der Interpretation und Anwendung des § 218 Abs. 1 Z 1 StGB äußerst restriktiv vorzugehen sein. Der Paradefall, auf den der erweiterte Tatbestand der sexuellen Belästigung anzuwenden ist, stellt nach den Erläuterungen zum Gesetzesentwurf das Greifen auf das Gesäß dar. Handlungen dieser Art erscheinen uns insbesondere dann besonders strafwürdig, wenn es sich bei den Opfern um Kinder oder Jugendliche handelt. Um diesen eine gesunde Entwicklung ihrer Sexualität und den Erhalt ihrer psychischen Gesundheit zu ermöglichen, sollen sie so weit wie möglich vor sexuell übergriffigem Verhalten geschützt werden. So gesehen erscheint uns die Kriminalisierung des Greifens auf das Gesäß insbesondere auch deshalb begrüßenswert, weil der durch den neuen § 218 StGB gewährte Schutz der sexuellen Integrität – wie angenommen werden darf – weiter reicht als jener von § 208 StGB.

Verhetzung

Zu Art 1 Z 195 (§ 283 StGB)

Aus unserer Sicht grundsätzlich erfreulich ist das Bemühen, den Tatbestand der „Verhetzung“ zu präzisieren. Nach der aktuellen Rechtslage müssen verhetzende Aussagen von einer breiten Öffentlichkeit (ca. 150 Personen) wahrnehmbar sein, um das Tatbild der Verhetzung zu erfüllen. Nach der neuen Rechtslage soll es aber genügen, wenn die Aussagen für viele Menschen (ca. 30 Personen) zugänglich sind. Sind die Aussagen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich, ist nach der neuen Rechtslage bereits ein Qualifizierungstatbestand erfüllt. Wir sehen hierin aber die Gefahr, dass besonders Jugendliche von der Erfüllung des Tatbestandes der Verhetzung betroffen sein könnten. Dies ist zum einen nämlich ihrer in der Regel geringeren moralischen Reife, wodurch sie sich leichter zu verhetzenden Aussagen hinreißen lassen, und zum anderen dem sozialen Umfeld, in dem sich Jugendliche üblicherweise aufhalten, geschuldet. Jugendliche treten im Verhältnis zu Erwachsenen durchschnittlich viel häufiger in größeren Gruppen auf (z. B. in der Klassengemeinschaft oder in Vereinen), wodurch die Gefahr, vor vielen Menschen verhetzende Aussagen zu tätigen, bei Jugendlichen wesentlich höher einzuschätzen ist. Um Jugendlichen, deren Schuldfähigkeit aufgrund mangelnder Reife gerade im Hinblick auf die Begehung einer Verhetzung stark herabgesetzt ist, vor einer übermäßigen Gefahr, sich nach § 283 StGB strafbar zu machen, zu schützen, empfehlen wir eine Erhöhung der tatbildlichen Anzahl von Menschen, für welche die verhetzenden Aussagen wahrnehmbar sein müssen.

Sucht als Krankheit

Zu Art 2 Z 1, 2 und 3 (§§ 13 Abs. 2a und 4 und 14 Abs. 1 SMG)

Die Änderungen im Suchtmittelgesetz tragen dem geänderten Bewusstsein Rechnung, dass es sich bei einer Sucht um eine Krankheit handelt, die in aller Regel mit einer massiven Einschränkung der Zurechnungsfähigkeit einhergeht. Zumal eine Kriminalisierung von Suchtverhalten unter diesem Aspekt nicht gerechtfertigt erscheint und eine Erkrankung eine medizinische bzw. psychotherapeutische Behandlung erforderlich macht, bewährt sich das Strafrecht in vielen Fällen nicht als probates Mittel, um auf Suchtgiftmissbrauch angemessen zu reagieren. Anstatt Suchtkranke mit öffentlichem Tadel zu belegen, der ihrem Weg aus der Sucht in den meisten Fällen nicht unbedingt dienlich ist, liegt es in der politischen Verantwortung des Staates, die erforderliche gesundheitsbezogene Hilfestellung zu bieten. Es ist daher erfreulich, dass die geplanten Änderungen des Suchtmittelgesetzes sämtliche Behörden oder öffentlichen Dienststellen, einschließlich Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft, für den Fall des Bekanntwerdens einer Straftat nach §§ 27 Abs.1 und 2 oder 30 SMG dazu verpflichtet, anstelle einer Anzeige gemäß § 78 StPO eine Mitteilung an die Bezirksverwaltungsbehörde als Gesundheitsbehörde zu erstatten, sofern die Tat ausschließlich für den persönlichen Gebrauch bzw. den persönlichen Gebrauch eines anderen begangen wurde. Die Gesundheitsbehörde hat sodann die erforderlichen Maßnahmen anzuordnen und nur im Falle ihres Scheiterns bzw. ihrer anfänglichen Aussichtslosigkeit, Strafanzeige an die Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft zu erstatten. Damit wird sichergestellt, dass gesundheitsbezogene Maßnahmen bei Verstößen nach §§ 27 Abs. 1 und 2 oder 30 SMG einem Strafverfahren vorgelagert sind.

Da die Gefahr von Suchtgiftmissbrauch gerade bei Jugendlichen besonders groß ist, begrüßen wir die geplante Gesetzesänderung. Um Jugendlichen einen gestärkten Selbstwert und ein Leben in physischer sowie psychischer Gesundheit zu ermöglichen, ist es unerlässlich, sie nicht in die Kriminalität hinein, sondern aus der Sucht herauszuführen. Dass Jugendliche in dieser Hinsicht besonders schutzbedürftig sind, hat der Gesetzgeber bereits vor der anstehenden Novelle erkannt, indem die Schulleitung bei Verdacht einer Straftat nach § 27 Abs. 1 SMG dazu angehalten wurde, gesundheitsbezogene Interventionen schulintern zu setzen und eben keine Strafanzeige zu erstatten. Allerdings wird erst mit der geplanten Gesetzesänderung die unglückliche Rechtslage bereinigt, wonach die ausschließliche Reaktion auf ein Suchtmittelproblem allein mittels gesundheitsbezogener Maßnahmen durch ein Bekanntwerden des entsprechenden Verdachtes bei Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft vereitelt werden konnte.

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