Mehr Opferschutz durch neues Sicherheitspolizeigesetz

Die kijas begrüßen im Sinne des Opferschutzes, dass sich das Annäherungsverbot nun mit der gefährdeten Person "mitbewegt".

Stellungnahme der Kinder- und Jugendanwaltschaften Österreichs zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz und das Namensänderungsgesetz geändert werden

Bezug: BMI-LR1340/0009-III/1/2019

Das Recht auf Schutz vor Gewalt ist ein zentrales Kinderrecht. Daraus ergibt sich für die Kinder- und Jugendanwaltschaften Österreichs (kijas) der gesellschaftspolitische Handlungsauftrag zur Gewaltprävention. Zum vorliegenden Gesetzesentwurf wird aus kinderrechtlicher Sicht folgende Stellungnahme abgegeben und um Berücksichtigung derangeführten Empfehlungen ersucht.

Zu den Änderungen im Sicherheitspolizeigesetz

§ 38a SPG – positive Aspekte

Betretungs- und Annäherungsverbot zum Schutz vor Gewalt (§ 38a SPG)

Die kijas begrüßen ausdrücklich die Neuregelung des § 38a SPG. Insbesondere die Einführung des so genannten Annäherungsverbotes erscheint besonders dazu geeignet, für einen besseren Opferschutz zu sorgen. Es ist gut, dass das Annäherungsverbot nun nicht mehr an konkrete Einrichtungen gebunden ist, sondern sich de facto mit der gefährdeten Person „mitbewegt“.

Gewaltpräventionsberatung (§ 38a Abs. 8 SPG)

Weiters wird die in § 38a Abs. 8 SPG angeordnete verpflichtende Gewaltpräventionsberatung ausdrücklich begrüßt. Diese Verpflichtung stellt eine wichtige Maßnahme einer wirkungsvollen opferschutzorientierten Täterarbeit dar, die dazu beitragen kann, Gewalt an Kindern zu verhindern. Kritisch ist aber die Regelung in § 38a Abs. 8 letzter Satz SPG zu sehen, nach der die Gewaltpräventionsberatung auf Kosten des Gefährders zu erfolgen hat. Grundsätzlich wird diese Regelung befürwortet, allerdings muss gleichzeitig die Finanzierung der Gewaltpräventionsangebote sichergestellt sein, und zwar unabhängig von den eingebrachten Eigenmitteln der Gefährder. Die beauftragten Gewaltinterventionszentren brauchen ausreichend öffentliche Mitteln und Ressourcen, um eine qualitativ hochwertige Gewaltpräventionsberatung durchführen zu können.

§ 38a SPG – kritische Aspekte & Empfehlungen

Verständigung vom Betretungs- und Annäherungsverbot (§ 38a Abs. 4 SPG) iVm § 56 Abs. 1 Z 8 SPG

In Abs. 4 des § 38a SPG wird geregelt, wer vom Betretungs- und Annäherungsverbot zu informieren ist, wenn minderjährige Personen gefährdet sind. Wie auch in der Stellungnahme der kijas zum Dritten Gewaltschutzgesetz (betrifft GZ BMVRDJ-S318.040/0007-IV/2019) angeführt, ist von einem solchen Betretungs- und Annäherungsverbot auch unbedingt das zuständige Pflegschaftsgericht zu verständigen. Aktuell kommt es aufgrund mangelnder Informationsverpflichtung zwischen Sicherheitsbehörden und Pflegschaftsgerichten oft zu konfliktreichen und für die betroffenen Kinder unzumutbaren Situationen in Obsorge- und Kontaktrechtsverfahren. Viel zu viele Kinder jeden Alters sind mittelbar von häuslicher Gewalt, meist gegen ihre Mütter, betroffen. Sie müssen Gewalt an und zwischen ihren Bezugspersonen mitansehen und –hören. Häufig müssen diese Kinder in der Folge Gewalt auch am eigenen Leib erfahren. Trotzdem werden immer wieder Fälle bekannt, in denen bei Gewalt in der Familie dem gefährdenden Elternteil ein Kontaktrecht zugesprochen wurde. Für die Kinder stellt dies eine immens große Belastung dar, die durch eine Informationsweitergabe an das Pflegschaftsgericht verhindert werden kann, unter der Voraussetzung, dass das Pflegschaftsgericht bei seiner Entscheidung das Kindeswohl vorrangig berücksichtigt.

Aus denselben Überlegungen heraus ist es auch notwendig, dass personenbezogene Daten nach § 56 Abs. 1 Z 8 SPG sowohl an das zuständige Pflegschaftsgericht als auch an den zuständigen Kinder- und Jugendhilfeträger übermittelt werden. Kinderschutz muss immer wichtiger als Datenschutz sein!

Darüber hinaus wird die obligatorische Bestellung eines Kinderbeistands bei unmittelbar erlebter Gewalt sowie bei miterlebter Gewalt an nahen Bezugspersonen als notwendige Maßnahme empfohlen, um Kinder im Zusammenhang mit einem Obsorge- oder Kontaktrechtsverfahren nicht neuerlich zu traumatisieren.

Ausnahmen vom Betretungs- und Annäherungsverbot (§ 38a Abs. 9 SPG)

Der in § 38a Abs. 9 SPG vorgesehene Antrag des Gefährders auf örtliche oder zeitliche Ausnahmen vom Betretungs- und Annäherungsverbot darf im Interesse des Opferschutzes tatsächlich nur in absoluten Ausnahmefällen genehmigt werden. Für die Überprüfung der im Gesetzestext genannten zwingenden Notwendigkeit muss ein strenger Maßstab angewendet werden. Wenn Minderjährige betroffen sind, muss auch geprüft werden, ob eine Kindeswohlgefährdung zu befürchten ist, wie z. B. Kindesentführung. Das Kindeswohl muss gegenüber der vom Gefährder geltend gemachten Notwendigkeit immer Vorrang haben (Art. 3 UN-Kinderrechtskonvention)!

Die Äußerungen der gefährdeten Person zu einer etwaigen Ausnahme müssen im Sinne des Kindeswohles gewertet werden. Es muss auch gewährleistet sein, dass sich minderjährige gefährdete Personen dazu äußern können und ihre Äußerung ernst genommen und berücksichtigt wird. Damit wird auch dem Kinderrecht auf eine eigene Meinung entsprochen (Art. 12 UN-Kinderrechtskonvention; Art. 4 BVG über die Rechte von Kindern). Damit dieses Kinderrecht am besten gewahrt wird, wird auch hier die obligatorische Bestellung eines Kinderbeistandes für absolut notwendig erachtet.

Zu den Änderungen im Namensänderungsgesetz

Gebührenfreie Namensänderung für Opfer iSd § 65 Z 1 lit a StPO (§ 2 Abs. 1 Z 10a NÄG)

Auf Zustimmung trifft die Erweiterung der Gruppe von Personen, die bei einer Namensänderung von den Verwaltungsabgaben und Gebühren des Bundes befreit sind, um jene Personen, die Opfer iSd § 65 Z 1 lit. a StPO wurden. Mit dieser Regelung wird es Opfern von Gewalttaten ermöglicht, ein neues, sicheres Leben zu beginnen, ohne Angst haben zu müssen, wieder mit dem/der TäterIn konfrontiert zu werden. Bei Gewaltdelikten mit besonders hoher medialer Aufmerksamkeit, wie z.B. im Fall Amstetten, ist eine Namensänderung darüber hinaus auch eine Möglichkeit, von der Öffentlichkeit unbemerkt sein Leben privat weiter zu gestalten.

Eng mit der Namensänderung verbunden ist auch die Änderung der Sozialversicherungsnummer, welche nun mit der geplanten Neuregelung des § 460d Abs. 3 ASVG (betrifft GZ BMASGK-92250/0037-IX/2019) möglich gemacht werden soll. Dies ist ausdrücklich zu begrüßen.