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25 Jahre Gewaltverbot in der Erziehung

Präsentation der Studie: Recht auf gewaltfreie Kindheit - Häusliche Gewalt? Erziehungsverhalten im Bundesland Salzburg

v. li.: Landesrat Heinrich Schellhorn, Kinder- und Jugendanwältin Andrea Holz-Dahrenstaedt, Peter Trattner (Kinderschutzzentrum), Ernestine Depner-Berger (Institut für Grundlagenforschung)

Bild: Die, die Gewalt anwenden, sind immer die anderen. In den eigenen vier Wänden ist alles "ganz normal". Elternbildung könnte einen wichtigen Teil in der Gewaltprävention einnehmen.

Ausgangslage

Gesetzlich ist Gewalt in der Erziehung seit 25 Jahren verboten.

"Eltern haben das Wohl ihrer minderjährigen Kinder zu fördern, ihnen Fürsorge, Geborgenheit und eine sorgfältige Erziehung zu gewähren. Die Anwendung jeglicher Gewalt und die Zufügung körperlichen oder seelischen Leides sind unzulässig.“ (ABGB, § 137)

Das bedeutet aber nicht, dass sie aus den Kinderzimmern verschwunden ist. Wie viele Kinder erleben in Salzburg Gewalt in der Familie? Verlässliche Zahlen gab es dazu bisher nicht. Die Fakten zu kennen ist aber grundlegend, um mit Aufklärung, Prävention und Hilfsangeboten an der richtigen Stelle anzudocken. Deshalb beauftragten das Salzburger Kinderschutzzentrum und die kija Salzburg das Institut für Grundlagenforschung damit, erstmals die Situation in Salzburg zu erheben.

Eckdaten zur Befragung

10 – 14 Jahre: 292 Befragungen
14 – 18 Jahre: 200 Befragungen
ab 18 Jahre: 505 Befragungen

Wir kommen weiter

Es ist sehr gut, sagt Landesrat Dr. Heinrich Schellhorn, dass jetzt Daten zur Gewalt gegenüber Kindern und Jugendlichen und zu den Einstellungen der Salzburgerinnen und Salzburger vorliegen:

„Ich sehe diese als Auftrag. Es ist eindeutig, dass Gesetze, Kinderrechte, Kinder- und Jugendschutzeinrichtungen und ein öffentlicher Bewusstseinswandel wirksam sind. Sie können Einstellungen positiv verändern. Wir sind noch lange nicht am Ziel, aber wir werden diesen Weg weiter gehen. Gewalt ist nicht privat. Gewaltbekämpfung ist daher auch eine gesellschaftliche und politische Aufgabe.“

Ergebnisse

Schwere Gewalt wird abgelehnt, leichte Gewalt akzeptiert, psychische Gewalt kaum erkannt

Zum Glück sind 25 Jahre Gewaltverbot in der Erziehung an den SalzburgerInnen nicht spurlos vorüber gegangen. 72 Prozent der Befragten haben davon zumindest schon Mal gehört, 84 Prozent sind es bei den 14- bis 18-Jährigen. Folgerichtig schätzen fast alle Befragten schwere Gewalt als verboten ein: Das Kind mit einem harten Gegenstand zu schlagen (97 Prozent) und dem Kind eine ordentliche Watsche geben (92%) erkennen somit fast alle als verbotene Gewalt. Bei leichteren Formen der Gewalt ist das Bild schon weniger eindeutig. Immerhin 38 Prozent glauben, dass eine leichte Watsche erlaubt ist, bei der Gruppe der 18- bis 29-Jährigen gehen davon mit 51 Prozent sogar mehr als die Hälfte aus.

Alarmierend ist, dass das Demütigen, Beschimpfen und Anbrüllen von Kindern überwiegend nicht als verbotene Gewalt deklariert wird. 63 Prozent glauben, dass das erlaubt ist. Auffallend ist hier, dass die jüngeren Erwachsenen den psychischen Gewaltformen eine größere Akzeptanz entgegenbringen als die älteren. Das könnte auch ein Hinweis darauf sein, dass sich die Gewaltformen verschieben. Es ist zwar ins allgemeine Bewusstsein gedrungen, dass die Tracht Prügel Narben hinterlässt, dass aber auch leichte Formen der Gewalt, Demütigungen und Kränkungen auf Dauer krank machen, ist noch zu wenig bekannt.

Peter Trattner, Geschäftsführer des Kinderschutzzentrums Salzburg, ist Tag für Tag mit den Auswirkungen der Gewalt gegen Kinder konfrontiert:

"Die Studie zeigt klar auf, wie groß die Problematik rund um das Thema Gewalt gegen Kinder nach wie vor ist. Tausende Kinder und Jugendliche und deren Familien und Bezugspersonen brauchen professionelle und niederschwellig zugängliche Hilfe. Auch in den bislang unterversorgten Bezirken muss es auf Sicht gelingen, ein entsprechendes Hilfsangebot bereit zu stellen."

Theoretisch gegen Gewalt,

In der Theorie hat sich mittlerweile der Narrativ durchgesetzt, dass Reden besser ist als zuzuschlagen. 96 Prozent stimmen dem zu, dass Reden die beste Möglichkeit ist, einen Konflikt zu lösen. Sogar 97 Prozent bejahen, dass Kinder das Recht auf eine gewaltfreie Erziehung haben. Gleichzeitig hat jede/r Dritte/r Verständnis dafür, dass „einem einmal die Hand ausrutscht“.
Die Ursache dafür schätzen Jugendliche und Erwachsene übrigens ganz ähnlich ein. 60 Prozent der Jugendliche glauben, dass es in den Familien weniger Gewalt gäbe, wenn die Eltern mehr Zeit für die Kinder hätten. Bei den Erwachsenen sind es sogar 77 Prozent, die die persönliche Überlastung als Ursache für die Gewalt sehen. Immerhin 41 Prozent der Jugendlichen glauben aber auch, dass das eigene Versagen, z. B. schlechte Schulleistungen, Grund für die Gewalt sein könnte, dass der Fehler also bei ihnen liegt. Was fehlt sind offensichtlich Antworten auf die Frage: Wie setze ich Grenzen, wenn nicht mit Gewalt? Alternative Formen der Konfliktlösung sind zu wenig bekannt. Kinder- und Jugendanwältin Andrea Holz-Dahrenstaedt fordert deshalb, verstärkt in Bewusstseins- und Elternbildung sowie in Hilfsangebote zu investieren.

„Was in der Familie ist, geht niemanden was an!“

Bei allem Bekenntnis zur Gewaltfreiheit ist offensichtlich die Bereitschaft sich einzumischen gering. 39 Prozent der Erwachsenen finden, dass es letztlich niemanden etwas angeht, was in der Familie passiert. Dabei sind Familie und familiäres Umfeld immer noch der größte Problembereich, was Gewalt angeht.

  • 48 Prozent der SalzburgerInnen haben Gewalt in der Familie miterlebt oder sind selbst betroffen.
  • 25 Prozent der SalzburgerInnen kennen Opfer von sexuellem Missbrauch/sexuellen Übergriffen oder sind selbst betroffen.
  • 25 Prozent der Kinder und Jugendlichen erleben Konflikte in der Familie, die mittels Gewalt (physisch oder psychisch) ausgetragen werden
  • 12 Prozent der Kinder und Jugendlichen sehen das Zusammenleben in der Familie als konfliktreich an. Hier ist auf jeden Fall davon auszugehen, dass Gewalt in den verschiedensten Formen ein Faktor ist. Bei ca. 100.000 Minderjährigen im Bundesland Salzburg sind das 12.000 Kinder und Jugendlichen, die externe Hilfe benötigen!

Die mangelnde Bereitschaft, in die Familien zu schauen, weist die Kinder- und Jugendanwältin Andrea Holz-Dahrenstaedt entschieden zurück:

„Eines der wichtigsten Kinderrechte, das auch in der Verfassung verankert ist, ist der Schutz vor Gewalt. Gewalt gegen Kinder ist, so wie Gewalt gegen Frauen auch, keine Privatangelegenheit. Kinder sind eigenständige Menschen und nicht der Besitz von jemandem. Niemand, auch nicht die Eltern, hat das Recht, ihre Integrität durch Demütigungen, Schläge etc. zu verletzen. Es gibt keine private Gewalt. Gewalt geht uns alle an!“

Schule – Ort für Konflikte und Hilfe

Insbesondere bei jüngeren Kindern hat neben der Familie die Schule eine sehr hohe Bedeutung in ihrem Leben. Sie sind noch zu wenig selbstständig, als dass sie neben Schule und Familie eigenständige Lebensräume aufbauen könnten. Insofern ist besonders für die Jüngeren Mobbing ein relevantes Thema. 65 Prozent der Befragten kennen jemanden, der/die von Mobbing betroffen ist oder ist selbst betroffen. 52 Prozent der Zehn- bis 14-Jährigen führen an, dass es, wenn es zu Konflikten kommt, in der Schule passiert. Bei den 14- bis 18-Jährigen geht der Prozentsatz auf 35 Prozent zurück. Gleichzeitig sind gerade bei den Jüngeren Beratungseinrichtungen noch keine realistische Option, um sich Hilfe zu holen. Während bei den 14- bis 18-Jährigen immerhin 29 Prozent Beratungsstellen als mögliche Hilfeleistungen nennen, sind es bei den Jüngeren nur 11 Prozent. Da sie aber der Gewalt in der Schule auch stärker ausgesetzt sind, bedeutet das, dass es hier andere Angebote braucht. In erster Linie ist hier der Ausbau der Schulsozialarbeit und Schulpsychologie zu nennen. Kinder sind zu wenig mobil, als dass sie sich eine Hilfseinrichtung suchten. Die Vertrauensperson muss vor Ort sein und für das Kind da sein. Generell müssen Hilfsangebote flächendeckend, also auch in den Bezirken, verfügbar sein.

Auch das Wissen um die Kinderrechte schützt Kinder und Jugendliche zu einem gewissen Grad. In diesem Sinne sollen die Kinderrechte stärker im Lehrplan verankert werden, denn während 78 Prozent der 14- bis 18-Jährigen die Kinderrechte kennen, sind es bei den Zehn- bis 14-Jährigen, die ja noch wesentlich schutzbedürftiger sind, nur 52 Prozent.

Gewalt sichtbar machen

Anlässlich 25 Jahre Gewaltverbot in der Erziehung haben sich Kinder und Jugendliche auch kreativ mit der Frage der gewaltfreien Erziehung beschäftigt. Dabei entstand ein wunderbares Video von der jungen Filmemacherin Yvonne Wendelin, das mit einer einfachen aber in der Realität doch so schwer umsetzbaren Erkenntnis schließt:

Gewalt endet, wo das Gespräch beginnt!


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