Strafprozessordnung - Zeugenschutz

Die KIJAS Österreich fordern, Video- bzw. Tonaufnahmen von minderjährigen ZeugInnen unter besseren Schutz zu stellen.

Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung und das Strafregistergesetz 1968 geändert werden (Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2013); BMJ –S578.027/0002-IV 3/2013, Begutachtungsverfahren

§ 52 Abs. 1 StPO

Die Kinder- und Jugendanwaltschaften Österreichs begrüßen die Intention des Bundes-Gesetzgebers, die im Zuge der Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 13. Dezember 2012, G 137/11-15 (Aufhebung der Wortfolge "bezieht sich jedoch nicht auf Ton- oder Bildaufnahmen und") eingetretene Rechtsunsicherheit für ZeugInnen und dritten Personen zu beseitigen. Die Formulierung "betrifft deren Inhalt schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen anderer Beteiligter des Verfahrens oder Dritter, so ist dem Beschuldigten die Pflicht zur Geheimhaltung dieser Aufnahmen aufzuerlegen (§ 301 Abs. 2 StGB)" erscheint uns im Hinblick auf den Schutz der Privatsphäre von Minderjährigen allerdings zu kurz gegriffen. Aus dem Gesetzestext ist nicht zu entnehmen, wie die auferlegte Geheimhaltungspflicht konkret gewährleistet werden kann. Aus unserer Sicht ist es auch faktisch nicht möglich eine Weitergabe im engeren Bekanntenkreis des Beschuldigten zu verhindern bzw. nachzuweisen.

Denken wir an Kinder und Jugendliche als Opfer oder ZeugInnen eines Strafprozesses, insbesondere in einem Sexualstrafverfahren, denen man eine Konfrontation mit der/dem Beschuldigten ersparen will und die zu ihrem Schutz kontradiktorisch einvernommen werden. Die Aufnahmen dieser Vernehmungen sollen nunmehr der/dem Beschuldigten zur freien Verfügung übergeben werden?! Selbst wenn die/der TäterIn rechtskräftig verurteilt würde, hätte er/sie die Möglichkeit, die Aussage der gegen ihn aussagenden Opfer und ZeugInnen immer wieder anzusehen bzw. im Freundeskreis herumzureichen. Gerade im Fall von Kindern und Jugendlichen, die als Opfer und ZeugInnen besonders schützenswert sind, halten wir dies für äußerst schädlich für die Entwicklung der betroffenen Minderjährigen.

Um aus dem Kreislauf der Unsicherheit und Ängste nach Beendigung eines Strafprozesses erfolgreich aussteigen zu können, ist es zum Schutz des höchstpersönlichen Bereiches von Kindern und Jugendlichen unabdingbar, dass keine weiteren Ton- oder Bildaufnahmen von ihnen im Umlauf sind. Weiters möchten wir zu bedenken geben, dass minderjährige Opfer und ZeugInnen, denen auf Grund der gesetzlichen Regelung von vornherein bewusst ist, dass ihre Videoaussage auf DVD der/dem Beschuldigten übergeben wird, in vielen Fällen zurückhaltendere Aussagen machen könnten, insbesondere bei ihren häufig sehr emotionalen Aussagen nicht mehr gefilmt werden wollen bzw. sich völlig der Aussage entschlagen. Die ohnehin niedrige  Verurteilungsquote würde noch weiter sinken.

Ein derartiger Eingriff in die Privatsphäre ist aus dem Gesichtspunkt des Grundrechts auf Privatleben und auf Datenschutz (Art. 8 EMRK sowie Art. 7 und 8 der Grundrechtecharta) nur zulässig, wenn er gesetzlich vorgesehen, im öffentlichen Interesse unbedingt notwendig und verhältnismäßig ist. Im Hinblick auf Minderjährige erscheint uns der beabsichtigte Eingriff in diese beiden Grundrechte keinesfalls verhältnismäßig. Artikel 1 des Bundesverfassungsgesetzes über die Rechte von Kindern normiert diesbezüglich, dass bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen (bis zum 18. Lebensjahr1) öffentlicher und privater Einrichtungen das Wohl des Kindes eine vorrangige Erwägung sein muss. "Jedes Kind hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge, die für sein Wohlergehen notwendig sind, auf bestmögliche Entwicklung und Entfaltung sowie auf die Wahrung seiner Interessen …."

1 Das Bundesverfassungsgesetzes über die Rechte von Kindern orientiert sich an der UN-Kinderrechtskonvention, welches unter dem Begriff "Kinder" auch Minderjährige bis zum 18. Lebensjahr subsumiert.