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Kinderrechte in der Verfassung – was bringt´s?

Seit Jänner 2011 ist Österreich kinderfreundlicher – tatsächlich? Jedenfalls ist seither per Beschluss des Nationalrates eine kleine Auswahl der Kinderrechte in den Verfassungsrang gerückt.

Die Kinder- und JugendanwältInnen Österreichs bei ihrer Tagung im März 2011 in Salzburg.

Bild: Die Kinder- und JugendanwältInnen Österreichs bei ihrer Tagung im März 2011 in Salzburg.

Doch wer garantiert, dass diese neuen Gesetze nicht zu "toten Gesetzen" werden, sondern auch umgesetzt und eingehalten werden?
Die Kinder- und JugendanwältInnen Österreichs trafen von 23. bis 24. März 2011 in Salzburg zusammen, um Strategien zu erarbeiten, wie aus der veränderten Gesetzeslage auch reale Verbesserungen für die Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen erwachsen können. Die formulierten Forderungen der KIJAs in den Bereichen Gewaltschutz, Rechte für fremduntergebrachte Kinder und Jugendliche und Recht auf Kontakt zu beiden Eltern werden durch das neue Verfassungsgesetz zusätzlich unterstrichen (siehe Artikel 2 und 5 des BV-Gesetzes).

"Österreich muss Schweden werden"

Seit 1989 ist in Österreich das Gewaltverbot in der Erziehung gesetzlich verankert (Gewaltschutzgesetz), die Erfahrungen zeigen jedoch, dass trotz der positiven Gesetzeslage Gewalt an Kindern und Jugendlichen - insbesondere durch die Eltern - nach wie vor gesellschaftliche Realität ist. "Nur eine Minderheit der Kinder und Jugendlichen wächst in Österreich körperstrafenfrei auf", hält der Vorarlberger Kinder- und Jugendanwalt Michael Rauch fest und verweist auf eine Studie des Bundesministeriums, die zeigt, dass 76 Prozent der schwedischen Eltern auf Körperstrafen in der Erziehung verzichten, im Vergleich aber nur 30 Prozent der ÖsterreicherInnen:

Gewaltbericht 2009 /BMWFJ

Grund genug, dem entschieden entgegenzuwirken: Zum einen braucht es beim Thema Gewaltschutz eine offensive Informationspolitik, denn immer noch glauben viele Eltern, dass Schlagen ab und an "okay sei", zum anderen muss die Handlungsfähigkeit der Jugendwohlfahrten verbessert werden. "Österreichweit", so Michael Rauch, "fehlen der Jugendwohlfahrt mehrere hundert qualifizierte MitarbeiterInnen, um den gestiegenen Anforderungen gewachsen sein zu können. Denn während in den letzten Jahren die Zahl der Problemfälle als auch das Problembewusstsein gestiegen sind, haben sich die Behörden und Strukturen nicht im nötigen Maß mitverändert." Im Entwurf des neuen Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetzes sind zumindest einige Verbesserungen wie z. B. das Vier-Augen-Prinzip enthalten, die Umsetzung wird jedoch durch eine seit Jahren andauernde Auseinandersetzung zwischen Bund und Ländern blockiert.

Heimkindern fehlen Vertrauenspersonen - damals wie heute

Durch die Öffentlichmachung der Gewalterfahrungen zahlreicher ehemaliger Heimkinder ist die Gruppe der Kinder und Jugendlichen, die nicht bei ihren Familien aufwachsen können, ins Zentrum des Interesses der Öffentlichkeit gerückt. Für die Kinder- und Jugendanwaltschaften Österreichs, die zum Teil auch mit der Aufarbeitung der sogenannten Altfälle betraut wurden, ist besonders alarmierend, dass trotz zahlreicher Verbesserungen und Veränderungen fremduntergebrachte Kinder und Jugendliche noch immer kaum Zugang zu externen Vertrauenspersonen außerhalb ihrer Einrichtung haben. Angesichts der steigenden Zahl an Kindern, die nicht zu Hause aufwachsen können (2009 waren es österreichweit 11.000, um 3,8 Prozent mehr als 20081) erscheint es wichtiger denn je, externen Vertrauenspersonen den Zugang zu den Kindern und Jugendlichen zu gewähren.

Dies ist nicht zuletzt auch eine Frage der Ressourcen, wie Kinder und Jugendanwältin Christine Winkler-Kirchberger aus Oberösterreich weiß: "Aktuell stehen die KIJAs auch fremduntergebrachten Kindern und Jugendlichen als Ombudsstelle zur Verfügung. Um allerdings den betroffenen Kindern bestmögliche Hilfe bieten zu können, braucht es dringend eine verstärkte Kommunikation (z. B. durch Sprechstunden in Einrichtungen), erweiterte gesetzliche Befugnisse (z. B. Akteneinsicht) sowie ausreichende personelle Ressourcen. Nur durch eine unabhängige Ombudsstelle kann sichergestellt werden, dass künftig von Kindern und Jugendlichen erhobenen Vorwürfen nachgegangen wird und Maßnahmen zur Beseitigung von Missständen ergriffen werden können."

Als weitere Maßnahme fordern die KIJAs Österreich verbindliche Standards für sozialpädagogische Einrichtungen, die sich zusätzlich zum institutionseigenen Organisationsleitbild an den Kinderrechten orientieren und eingefordert werden. Dazu zählen u. a. Transparenz, Mitbestimmung, Beschwerdenmanagement und regelmäßige Fortbildungen für die MitarbeiterInnen.

Die Obsorgefrage aus Sicht des Kindes

Kinder haben das Recht auf Kontakt zu beiden Eltern, so steht es seit Jänner 2011 in der österreichischen Verfassung. Österreichweit sind jährlich mindestens 22.0003 Kinder und Jugendliche von der Trennung ihrer Eltern betroffen – die Tendenz ist steigend. Dabei ist die Zahl derjenigen, deren Eltern nie verheiratet waren, noch nicht einmal mitberücksichtigt. Die Trennung der Eltern bedeutet für viele Kinder aber eine enorme psychische Belastung, oft geraten sie zwischen die Konfliktparteien, in der Hitze des Gefechtes werden ihre Bedürfnisse immer wieder übersehen.

Aktuell wird der Gesetzesentwurf zur Stärkung der Obsorge beider Eltern innenpolitisch heftig diskutiert. Aus Sicht der Kinder darf die Obsorgefrage jedoch nicht überbewertet werden. Um Kindern real zu ihrem Recht auf Kontakt zu beiden Eltern zu verhelfen, bedarf es vor allem neuer Maßnahmen, die noch vor der Obsorgestreitigkeit greifen:

Seit Juli 2010 gilt in Österreich das Kinderbeistand Gesetz, das es RichterInnen ermöglicht, bei strittigen Verfahren einen Kinderbeistand zu bestellen, der die Bedürfnisse der betroffenen Kinder hört und vertritt. Abgesehen davon, dass es österreichweit noch viel zu wenige geeignete Personen gibt, die diese Funktion übernehmen können, hakt es aus Sicht der Salzburger Kinder- und Jugendanwältin Andrea Holz-Dahrenstaedt auch am Zeitpunkt der Bestellung: "Die momentane Praxis ist, dass der Kinderbeistand zumeist erst bei höchst strittigen Verfahren einberufen wird, dann sind aber schon auf allen Seiten Verletzungen passiert und die Fronten verhärtet. Deshalb plädieren die KIJAs Österreich für die Errichtung einer sogenannten "Außergerichtlichen Familienschlichtungsstelle", die einem gerichtlichen Verfahren verpflichtend vorgeschaltet ist."

Außergerichtliche Familienschlichtungsstelle (AGF)

Eine solche "Außergerichtliche Familienschlichtungsstelle" (AGF) soll im Idealfall bei jedem Trennungsverfahren zum Zug kommen, auf jeden Fall aber, wenn …

  • Gewalt in der Familie stattfindet; 
  • ein Elternteil gegen die gemeinsame Obsorge ist; 
  • das Kind den Kontakt zu einem Elternteil ablehnt;
  • andere Vorkommnisse vorliegen, die auf ein hohes Konfliktpotenzial hindeuten.

Durch verpflichtende Mediationsgespräche mit den Konfliktparteien unter Einbeziehung eines Kinderbeistandes soll im Idealfall der Gang vor Gericht vermieden werden. Fruchten die Gespräche nicht, soll dem Gericht die Begründung für das Scheitern der Einigung vorgelegt werden. Diese Begründung soll in die Entscheidungsfindung des Gerichts zum strittigen Verfahren miteinfließen.

Nimmt man also das Recht der Kinder auf Kontakt zu beiden Eltern ernst, so muss schon viel früher gehandelt werden, als es bisher der Fall ist, nicht zuletzt muss auch das Kinderbeistand Gesetz3 nachgebessert werden und zwar in folgenden zentralen Punkten:

  • Die Dauer der Tätigkeit des Kinderbeistandes darf nicht mit der Urteilsverkündung enden, da die Erfahrung zeigt, dass es gerade in der ersten Zeit nach dem Urteilsspruch häufig zu innerfamiliären Spannungen kommt.
  • Der Passus, dass ein Kinderbeistand dann einzusetzen ist, wenn "...dem Gericht geeignete Personen zur Verfügung stehen ...", muss ersatzlos gestrichen werden. Es ist inakzeptabel, dass die Vertretung des Kindes abhängig ist von personeller Verfügbarkeit.
  • Die Kinderbeistände sollen innerhalb einer Trägerorganisation zusammengefasst werden. Diese soll sowohl auf die Einhaltung und Weiterentwicklung der Qualitätsstandards achten (Fortbildung, Supervision etc.), als auch die Vermittlung der Kinderbeistände übernehmen.

1 BMWFJ 2011, Jugendwohlfahrtsbericht 2009
2 Statistik Austria
3 Kinderbeistand Gesetz BMJ-B4.500/0012-I 1/2009 

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