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In Arbeit: Das Salzburger Kinder- und Jugendhilfegesetz

Die kija Salzburg freut sich, am Prozess zur Erarbeitung des Salzburger Ausführungsgesetzes mitwirken zu dürfen und übermittelte vorab eine Reihe an Anregungen und Forderungen!

Die kija Salzburg begrüßt den inhaltlichen Diskussionsprozess. Es bietet sich die Chance, so eine ausgereifte gesetzlichen Grundlage zu schaffen, der ein noch höherer Stellenwert zukommt als der dringend notwendigen Anschubfinanzierung des Bundes. Im Zuge dessen empfiehlt es sich auch, die Systematik des Gesetzestextes zu überdenken und den Aufbau neu zu gliedern (siehe z. B. Vorarlberger LKHJG).

1. Ziele, Aufgaben, Allgemeine Grundsätze

1.1. Zentraler Hinweis auf die UN-Konvention über die Rechte des Kindes und das Bundesverfassungsgesetz

In den vergangenen zwei Jahren hat die Bedeutung der UN-Kinderrechtskonvention1 auch im Hinblick auf den Bereich der sozialen Kinder- und Jugendhilfe stark zugenommen:

Durch ...

  1. ... das Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern2,
  2. ... die Wirkungsorientierte Folgenabschätzung3
  3. ... den bundesweiten Prozess des bmwfj zur Umsetzung des Kinderrechtemonitorings (aufgrund der „Concluding Observations“ des UN-Kinderrechtsausschusses wurde bereits eine eigene – von insgesamt zwölf –Projektgruppe(n)  dazu eingerichtet).

1.2. Begrifflichkeiten verändern & einführen

Aufgrund veränderter gesamtgesellschaftlicher Herausforderungen sowie sprachlicher Sensibilität sollten bei den Grundsätzen, Zielen und Planung Begriffe wie Diversität, Inklusion, Interkulturalität und das Prinzip des Gender Mainstreaming eingeführt und andere ersetzen (z. B. behinderte Kinder durch „Kinder mit Behinderung“). Mit dem Begriff Diversität sollen neben klassischen - weil sichtbaren - Differenzmerkmalen wie Geschlecht oder Alter jedenfalls auch nicht unmittelbar erkennbare Merkmale wie beispielsweise religiöse Überzeugung, sexuelle Orientierung oder kultureller Hintergrund angesprochen werden. Es soll damit auch gesetzlich zum Ausdruck gebracht werden, dass wir in einer Gesellschaft der Vielfalt zu leben, in der Vielfalt als Bereicherung und als Ressource wahrgenommen wird.

1.3. Sozialraumorientierung

Im deutschsprachigen Raum zeichnet sich immer mehr eine Ausrichtung der Kinder- und Jugendhilfe nach dem Konzept der „Sozialraumorientierung“ ab. Dieser Grundsatz sollte explizit Eingang in das neue LKHJG finden. Damit werden der Wille der „leistungsberechtigten Menschen“ als Ausgangspunkt staatlicher Hilfe ebenso betont, wie die Suche nach Selbstheilungskräften und Ressourcenorientierung, erleichterte Zugänge zu Hilfe, sowie ein über den Einzelfall hinaus reichender Blick mit dem Ziel strukturelle Hindernisse (der Organisationen und Syteme) zu überwinden.

1.4. Rechtsanspruch – Prävention

Zur Sicherung des Zugangs zu Hilfen muss jedenfalls ein Rechtsanspruch von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, auch auf präventive (Erziehungs-)Hilfen, gesetzlich festgeschrieben werden. Die Wichtigkeit von Prävention muss herausgestrichen werden. Es muss gewährleistet sein, dass die Kinder- und Jugendhilfe nicht erst bei konkreter Kindeswohlgefährdung tätig wird, sondern Unterstützungsmaßnahmen -  u. a. auch im Zusammenhang mit werdenden Müttern –  setzen kann, um solche Kindeswohlgefährdungen zu verhindern.
Aus dem Gesetz soll – für jede Person verständlich – klar hervorgehen, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um die jeweilige Hilfe zu erhalten. Unklare Formulierungen wie beispielsweise „können oder soll gewährt werden“4 sind zu vermeiden.

1.5. Beteiligung

Es ist allgemein bekannt, dass Hilfen umso wirkungsvoller sind, je mehr es gelingt, damit Akzeptanz zu erzielen. Die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen, ihren Familien und Bezugspersonen muss über den gesamten Unterstützungsprozess gefördert und gewährleistet sein. Aber nicht nur im Einzelfall soll die Meinung der Minderjährigen eingeholt und berücksichtigt werden, sondern auch für die (externe) Evaluierung der Kinder- und Jugendhilfe. Entsprechend den Bestimmungen der UN–Kinderrechtskonvention soll noch stärker als bisher der Grundsatz der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen betont werden.

1.6. Auskunftsrecht & Akteneinsicht

Auskunftsrecht und Akteneinsicht sind neu zu regeln. Dabei soll ein Auskunftsrecht für Eltern, Pflegepersonen und mit der Obsorge in den Bereichen Pflege und Erziehung betraute Personen und ein weiter reichendes Recht auf Akteneinsicht für betroffene Minderjährige sowie Erwachsene, denen als Minderjährige Erziehungshilfen gewährt wurden, verankert werden. Damit soll sichergestellt werden, dass trotz der Nichtanwendbarkeit des AVG Minderjährige und „ehemalige Heimkinder“ rechtlich nicht schlechter gestellt sind als Parteien im Verwaltungs-, Zivil- oder Strafverfahren. Gleichzeitig sollte der Aufgabenkatalog der kija Salzburg um die Unterstützung Minderjähriger und Erwachsener, denen als Minderjährige Erziehungshilfen gewährt wurde, in ihrem rechtlichen Interesse auf Akteneinsicht erweitert werden.

1.7. Verschwiegenheitspflicht – (einzelfallbezogene) Zusammenarbeit

Neben dem wichtigen Schutz des Vertrauensverhältnisses, welches durch die gesetzliche Verpflichtung zur Verschwiegenheit abgesichert ist, muss es zum Schutz und im Interesse von Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit eines fachlichen einzelfallbezogenen Austausches geben. Es soll daher für Lehrkräfte, KindergartenpädagogInnen, Angehörige von Gesundheitsberufen u. a. Fachkräfte im Auftrage der Kinder- und Jugendhilfe Tätige (z. B. Erziehungs- und Familienberatungsstellen) eine Ausnahmebestimmung geben, um dem Erfordernis einer effizienten und effektiven Zusammenarbeit im Sinne der Minderjährigen Rechnung zu tragen.
Aufgrund der vielen Schnittstellen und Querschnittsaufgaben sind Standards über Einberufung und Durchführung von Helferkonferenzen in den Grundzügen festzulegen, die näheren Details sollten in Kooperationsvereinbarungen geregelt werden.

2. Qualität, Planung, Forschung 

Wie in den Erläuternden Bemerkungen zum B-KJHG 2013 mehrmals angeführt, sind fachliche Standards in den Ausführungsgesetzen zu konkretisieren. Das erfordert eine Festschreibung kontinuierlicher Qualitätsentwicklung im gesamten Kinder- und Jugendhilfesystem und einer konstruktiven Fehlerkultur. Dafür ist eine – über den Einzelfall hinausgehende - organisationsübergreifende Zusammenarbeit mit den Einrichtungen des Bildungs-, Gesundheits- und Sozialsystems gesetzlich und ressourcenmäßig sicherzustellen.
Im Hinblick auf Gefährdungsabklärung, Fremdunterbringung (Aufnahme, Unterbringung) und Rückführung ist auf bereits bestehende Standards, z. B. von Quality4Children, Bezug zu nehmen.

2.1. Fachliche Ausrichtung

Wie auch in anderen Landes-Ausführungsgesetzen zum BKHJG geregelt, sollten Personen mit leitenden Tätigkeiten im Hinblick auf die hohe fachliche (Letzt-)Verantwortung sowohl über eine abgeschlossene Ausbildung aus einem - im weiteren Sinn - sozialpädagogischen Berufsfeld (Sozialarbeit, Sozialpädagogik, Psychologie…) verfügen, als auch eine mehrjährige einschlägige Berufserfahrung mitbringen5.  Weiters muss die Teilnahme an regelmäßiger Supervision verpflichtend und nicht optional sein.

2.2. Statistik

Es bestehen völkerrechtliche Verpflichtungen, über Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe - einschließlich der zahlenmäßigen Relevanz - zu berichten (vgl. etwa den Staatenbericht gemäß § 44 der Kinderrechtskonvention). Auch wenn schon bisher statistische Daten gesammelt wurden, sollten die Leistungsdaten, die statistisch erhoben werden sollen, gesetzlich aufgezählt werden. Neben der Erfassung von Alter und Geschlecht, der Anzahl und Form der Unterbringung, der Anzahl der sozialen Dienste, der Hilfen zur Erziehung und der Gefährdungsabklärungen sollten u. a. folgende Kennzahlen erfasst werden:

  • Wie viele Rückführungen erfolgen in die Herkunftsfamilie?
  • Wie viele Abbrüche der Betreuungsverhältnisse kommen vor?
  • Was sind die Gründe für die Abbrüche?
  • Wie viele Kinder warten wie lange auf einen Pflegeplatz?
  • Wie viele Minderjährige sind in einem anderen (Bundes-)Land untergebracht?

2.3. Planung – Forschung

„Durch Planung hat der Kinder- und Jugendhilfeträger vorzusorgen, dass Dienste und Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe im erforderlichen Ausmaß zur Verfügung stehen.“ Ausreichende Angebote sowie Kapazitäten im gesamten Kinder- und Jugendhilfebereich sind erforderlich, denn nur rechtzeitige Unterstützung ist wirksame Hilfe. Wartezeiten auf verschiedene Angebote (TAF, Heilpädagogische Station, Pflegeplatz etc.) sind unbedingt zu vermeiden bzw. minimieren. Aufgrund von Kennzahlen und Indikatoren sollen Personalschlüssel für eine bedarfsorientierte öffentliche und private Jugendwohlfahrt festgeschrieben werden.

3. Erweiterung und Präzisierung des Leistungskatalogs

Frühe Hilfen

Es ist unbestritten, dass Familien mit erhöhten Belastungsfaktoren am besten durch möglichst frühzeitige (nichtstigmatisierende) Hilfe erreicht und unterstützt werden können. Die ersten Lebensjahre sind entscheidend. Gemeinsam mit den Einrichtungen des Gesundheitssystems ist ein engmaschiges Netz ab der Geburt aufzubauen.

Mutter-Kind-Wohnformen

Für junge (werdende) Mütter brauchen wir Einrichtungen und Abläufe, die den kindlichen Bedürfnissen nach Versorgung, Bindung, regelmäßigen, ggfls. begleiteten, Kontakten zum anderen Elternteil etc. gerecht werden. Aufnahme und Unterstützung soll auch längerfristig und mit älteren Geschwisterkindern möglich sein. Die jungen Mütter sollen neben der Säuglingspflege aktiv bei Ausbildung, Lehrabschluss u. ä. unterstützt werden.

Eltern-Kind-Einrichtungen

Sozialpädagogische Einrichtungen sollten für einen befristeten Zeitraum (ca. sechs Monate) zur Abklärung der Betreuungsbedingungen und zur Stabilisierung des Familiensystems Minderjährige mit ihren Eltern aufnehmen. Damit soll einerseits der möglichen Gefährdung des Kindeswohles Einhalt geboten werden und auf der anderen Seite das Trauma einer frühzeitigen, möglicher Weise zu verhindernden, Fremdunterbringung vermieden werden.

Therapeutisch geführte stationäre Einrichtung für Eltern und Kinder

Das Angebot für Frauen/Eltern mit Kindern, die sich in einer psychischen Krisensituation oder psychosozialen Notlage befinden, ist derzeit in Salzburg unzureichend. Viele Frauen/Eltern mit ihren Kindern können aufgrund mangelnder Einrichtungen nicht adäquat betreut werden, was in der Folge zu Kindesabnahmen, weiteren Familienzerrüttungen, Gewaltsituationen und psychischen und körperlichen Erkrankungen bei Frauen/Eltern und ihren Kindern führen kann. Eine therapeutisch geführte Einrichtung soll dieser Betreuungslücke entgegenwirken.

Elternarbeit

Aus § 2 Z 2 B-KJHG 2013 geht die Absicht hervor, die Eltern und Bezugspersonen in ihrer Aufgabe zu stärken. Für mögliche Rückführungen bzw. für qualitative Fremdunterbringungen ist es unabdingbar, die Fähigkeiten der Eltern zu stärken und sie in ihrer Rolle als Eltern zu fördern. Derzeit sind bedauerlicherweise kaum/keine Leistungen vorhanden, die es erlauben, qualitative Elternarbeit trotz (dauerhafter) Fremdunterbringung durchzuführen.

Folgende Angebot sollten gesetzlich verankert werden:

  • Trainingsprogramme für Eltern zur gewaltfreien Konfliktlösung;
  • Begleitende ambulante, stationäre sowie teilstationäre Betreuung von Minderjährigen und deren Eltern bzw. mit der Obsorge betrauten Personen;
  • Teilstationäre Angebote für Minderjährige, wobei neben der Betreuung und Förderung von Minderjährigen die begleitende Elternarbeit im Vordergrund steht.

Schulsozialarbeit

Schulsozialarbeit unterstützt Kinder und Jugendliche bei der Bewältigung ihrer (familiären) Probleme und fördert die soziale Integration in der Schule und im sozialen Nahraum. Wie bereits in anderen Bundesländern der Fall, sollte auch in Salzburg Schulsozialarbeit als Sozialer Dienst der Jugendwohlfahrt an allen Schulen angeboten werden.

4. Fremdunterbringung - Volle Erziehung

4.1. Sichere Bindungen bei Fremdunterbringung

Verluste durch Trennung und Scheidung oder „broken-home-Situationen“ zählen zu einem erheblichen Entwicklungsrisiko. Neuesten Bindungsforschungen zufolge, sind stabile Beziehungen der Schlüssel zu einer gesunden Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Lediglich zwei Prozent aller Kinder in Fremdunterbringung gelten als „sicher gebunden.“ Es muss daher oberstes Ziel sein, dass sich die Muster von Beziehungsabbrüchen nicht neuerlich wiederholen. Stabile BetreuerInnenteams mit geringer personeller Fluktuation, verbesserte Rahmenbedingungen (Aus- und Fortbildung, Qualifikation, Supervision, kollegiale Beratung, realistischer Personalschlüssel, Bezahlung uvm.) tragen dazu bei.

4.2. Partizipativ erarbeitete Regeln für Mitbestimmung

Da fremduntergebrachte Kinder und Jugendliche sehr stark das Gefühl der Fremdsteuerung haben und unter dem Verlust der Selbstwirksamkeit leiden, sind partizipativ erarbeitete Regeln für Mitbestimmung - vom Recht auf Schutz der Privatsphäre bis hin zu wichtigen Alltagsdingen wie Handy- oder facebook-Nutzung - besonders wichtig. Dabei ist auf den Leitfaden über gewaltfreie sozialpädagogische Einrichtungen6 Bezug zu nehmen.

4.3. Wohnortnahe Unterbringung

Kinder und Jugendliche sollen grundsätzlich wohnortnahe im Bundesland Salzburg untergebracht werden. Nur im Ausnahmefall, wenn dadurch eine bessere Indikation für das Kindeswohl gegeben ist, soll eine stationäre Unterbringung im benachbarten Ausland oder einem anderen Bundesland durchgeführt werden. Persönliches Übergabegespräch samt schriftlicher Kooperationsvereinbarungen müssen mit den hauptverantwortlichen Fachkräften stattfinden.

4.4. Zugang zu externen kinderanwaltlichen Vertrauenspersonen

In jeder Einrichtung sollen laut erwähntem Leitfaden eine interne und eine externe Ansprechperson bekannt gemacht werden. Es muss sichergestellt sein, dass als ein wesentliches Qualitätsmerkmal alle Pflegekinder/Kinder und Jugendliche in Fremdpflege regelmäßigen und persönlichen Kontakt zu kinderanwaltlichen Vertrauenspersonen haben. Gesetzliche und personelle Voraussetzungen sind dafür zu schaffen.

4.5. Nachbetreuung, junge Erwachsene

Mit der Beendigung der vollen Erziehung, der Volljährigkeit und der verlängerten Erziehungsmaßnahme bis zum 21. Lebensjahr enden gerade für junge Menschen, denen es an stabilen Familienverhältnissen mangelt, meist sämtliche professionellen Hilfeleistungen. Wie Betroffene immer wieder betonen, bräuchten sie über die Zeit der Fremdunterbringung hinaus verlässliche Ansprechpersonen, die ihnen in schwierigen Lebensphasen und Übergängen aber auch bei wesentlichen positiven Ereignissen (z. B. Bildungsabschluss, Schwangerschaft …) zur Seite stehen. Diese langjährige Forderung von „Youth in Care“ nach weiterführender Nachbetreuung, sollte im neuen Gesetz Eingang finden.

4.5. Peergruppen-Angebote

Kinder, die außerhalb der Herkunftsfamilie groß werden, sollen ermutigt werden, an Peerguppentreffen teilzunehmen, wobei der Fokus auf der gegenseitigen Stärkung liegt. Darüber hinaus soll eine regionale „Youth in Care“-Gruppe aufgebaut und die Teilnahme am internationalen „Youth in Care Network“ ermöglicht werden.

5. Pflegekinder

5.1. Zusammenwirken von zwei Fachkräften

Da Pflegeverhältnisse in der Regel auf Dauer angelegt sind und nur schwer rückgängig gemacht werden können, soll die Einschätzung der Eignung sowie die Vermittlung im Vier-Augen-Prinzip erfolgen.

5.2. Vermittlung von Pflegeverhältnissen

Sowohl mit der Ausbildung und fachlichen Begleitung von Pflegepersonen als auch mit der Vermittlung von Pflegeverhältnissen soll ein (anerkannter) privater Träger der Kinder- und Jugendhilfe beauftragt werden. Der persönliche Kontakt der Kinder zu den Pflegeeltern schon während der Ausbildung erhöht die Chance auf ein passgenaues Matching und in Folge auf einen rascheren Pflegeplatz.

5.3. Fortbildung

Zur Festigung des Pflegeverhältnisses und im Hinblick auf die Bewältigung belastender Situationen in Bezug auf Pflegekinder und Herkunftsfamilien soll die Inanspruchnahme von Fortbildung und Supervision verpflichtend sein.

5.4. Keine Unterbringung von Säuglingen und Kleinkindern in Heimen

„Der Kinder- und Jugendhilfeträger hat vorzusorgen, dass im Rahmen der vollen Erziehung aber auch in Krisensituationen ausreichend Pflegepersonen und Krisenpflegepersonen, insbesondere für Kleinkinder und Säuglinge, zur Verfügung stehen.“ Kinder unter drei Jahren sind ausschließlich bei Pflegepersonen/Pflegeeltern unterzubringen. Die Verweildauer in Betreuungseinrichtungen für Notsituationen ist für Kinder unter sechs Jahren auf ein Minimum (max. drei Monate) zu beschränken. Säuglinge und Kleinkinder bis drei Jahre sind nach Möglichkeit sofort auf Krisenpflegeplätzen unterzubringen.

5.5. Elternarbeit

Auch hier soll der professionelle Rahmen im Umgang mit der Herkunftsfamilien nach einer erfolgten Pflegeplatzunterbringung rechtlich definiert werden, da sonst die Gefahr besteht, dass der Kontakt und somit eine allfällige Rückführung unterbleibt.

5.6. Zugang zu externen kinderanwaltlichen Vertrauenspersonen

Auch Pflegekindern ist der Zugang zu einer kinderanwaltlichen Vertrauensperson zu ermöglichen. 

5.7. Einrichtung eines Arbeitskreises

Mit VertreterInnen der Landesregierung, für Pflege zuständigen SozialarbeiterInnen, Pflegeeltern, Organisationen, die im Bereich Pflege/Adoption tätig sind, der Kinder- und Jugendanwaltschaft und der Kinder- und Jugendpsychatrie soll ein Arbeitskreis zum Erfahrungsaustausch, zur Beratung und zur Weiterentwicklung von Qualitätsstandards ins Leben gerufen werden.

6. Kinder- und Jugendanwaltschaft (kija) Salzburg

Durch das neue B-KHJG wird das Aufgabenfeld der Kinder- und Jugendanwaltschaft erweitert, insbesondere erfolgt die ausdrückliche Zuweisung von Monitoring-Aufgaben an die Kinder- und Jugendanwaltschaft. Zudem werden organisatorische Mindeststandards definiert.

Daher regen wir an, ähnlich wie in Vorarlberg, die Aufgaben und Kompetenzen der kija Salzburg in einem eigenen Kinder- und Jugendanwaltschaftsgesetz zu regeln. Damit wird einerseits ein Signal für die Unabhängigkeit gesetzt und andererseits dem Umstand Rechnung getragen, dass die kija-Tätigkeiten nicht auf Jugendwohlfahrtsagenden be-schränkt sind. Vielmehr sind sie eine Querschnittsmaterie, die sich auf alle Artikel der UN-Kinderrechtskonvention bezieht.

6.1. Hauptaufgaben der kija Salzburg

Die Kinder- und Jugendanwaltschaft Salzburg ist als „Hüterin der Kinderrechte“ für die Einhaltung der Kinderrechte im Einzelfall, in Verfahren und/oder in behördlichen Abläufen zuständig. Unabhängig von einem eigenen Gesetz sollen folgende Bestimmungen neu geregelt/verändert werden:

  • Explizite Bezugnahme auf das Übereinkommen über die Rechte des Kindes und das Bundesverfassungsgesetz als zentrales Leitmotiv der gesamten Tätigkeit der kija Salzburg.
  • Zugang zu Kindern in sozialpädagogischen Einrichtungen und zu Pflegekindern als kinderanwaltliche Vertrauensperson. Wie im Salzburger Regierungsübereinkommen erwähnt, soll das Pilotprojekt der kinderanwaltlichen Vertrauensperson nach erfolgreicher Evaluierung in den Regelbetrieb übergeführt werden. Dafür sind neben personellen Voraussetzungen auch gesetzliche Grundlagen zu schaffen: „In ihrer Funktion als Ombudsstelle für Kinder- und Jugendliche ist den MitarbeiterInnen der kija Salzburg Zugang zu allen Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen sowie persönlicher und vertraulicher Kontakt zu den dort betreuten Kindern und Jugendlichen zu ermöglichen.“ Gerade in der Praxi zeigt sich, dass eine kinderanwaltliche Begleitung auch bei Übergängen oder Beendigung von Maßnahmen sinnvoll ist (s. dazu Punkt 4.5.).
  • Akteneinsicht: Zur effektiven Aufgabenerfüllung ist - neben der allgemeinen Auskunftspflicht von Landes- und Gemeindebehörden – einzelfallbezogene Akteneinsicht notwendig. „Die mit Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe befassten Behörden und Einrichtungen haben die Kinder- und Jugendanwaltschaft zu unterstützen, auf Verlangen Auskünfte zu erteilen und Einsicht in schriftliche Unterlagen über die von ihnen betreuten Minderjährigen zu gewähren.“
    Durch die neu eingeführte Akteneinsicht für Minderjährige ist auch hier entsprechende gesetzliche Vorsorge zu treffen: „Minderjährige und Erwachsene, denen als Minderjährige Erziehungshilfen gewährt wurden, sind in ihrem rechtlichen Inte-resse auf Akteneinsicht zu unterstützen.“
  • Erweiterung des Aufgabenspektrums bei (Cyber-)Mobbingfällen: Immer wieder werden Fälle von Mobbing mit dramatischem Ausgang in der Öffentlichkeit bekannt. Neben der Hauptverantwortung des Bildungssystems wirksame Prävention zu leisten, ist im Akutfall rasche professionelle Hilfestellung erforderlich bzw. Mangelware. Im letzten Halbjahr bearbeitete die kija Salzburg 333 Fälle von Mobbing im schulischen Kontext. Das erfordert personelle Kapazitäten und eine an die Realität angepasste gesetzliche Grundlage, indem der kija Salzburg bei (Cyber-)Mobbingfällen in Schulen Case-Management und Vermittlungsaufgaben übertragen werden.
  • Die Information über die Aufgaben der Kinder- und Jugendanwaltschaft, die Kinderrechte und sonstige Angelegenheiten, die für Kinder und Jugendliche von besonderer Bedeutung sind, ist eine der drei Kernaufgaben der kija Salzburg und sollte daher explizit aufgezählt werden.
  • Vorlage des Tätigkeitsberichts alle zwei Jahre. Die kija Salzburg setzte in den vergangenen Jahren Schwerpunkte zu den Themen Opferschutz, Trennung und Scheidung, Regionalisierung, Mobbing u. ä., die jeweils mit Schlussfolgerungen, Empfehlungen und Projektabschlüssen endeten. Deshalb, aber auch aus Res-sourcengründen, wird empfohlen, die schon jetzt gängige Praxis gesetzlich entsprechend zu ändern.
  • Recht auf Initiativantrag: Für eine weitere Stärkung einer Interessensvertretung für Kinder und Jugendliche sollte sowohl das Recht einen Gesetzesinitiativantrag einbringen als auch ein Gesetzesprüfverfahren gegenüber den obersten Gerichten einleiten zu können, gesetzlich eingeräumt werden.

7. Jugendwohlfahrtsbeirat

Um die beratende Tätigkeit des Jugendwohlfahrtsbeirats noch effektiver zu gestalten, regen wir eine Erweiterung der teilnehmenden Personengruppe sowie der Aufgabenstellung an. Wie die Erfahrung zeigt, ist es sinnvoll, mehr Personen aus der Praxis und den angrenzenden Schnittstellen/Berufsfelder einzubinden, um aktuelle Situationen lebensnah erfassen zu können. So sollten VertreterInnen des Berufsverbandes für SozialarbeiterInnen und SozialpädagogInnen, der Fachhochschule, des Kinderschutzzentrums, der Jugendpsychiatrie, des Bereichs Schule mit der Schulsozialarbeit und den BeratungslehrerInnen sowie der außerschulischen Jugendarbeit eingebunden werden. Zu überlegen wäre auch die Einrichtung eines ständigen „Sub“-Beirates, in dem alle jene Personen/Institutionen, die nicht EntscheidungsträgerInnen der Kinder- und Jugendhilfe bzw. politische VerantwortungsträgerInnen sind, genau diese Entscheidungsträger beraten können. Dies bedeutet die Chance auf einen noch umfassenderen Diskurs über Themen der Kinder- und Jugendhilfe.

Fußnoten:

1 BGBl. Nr. 7/1993
2 BGBl. I Nr. 4/2011 Art. 2 (2): „Jedes Kind, das dauernd oder vorübergehend aus seinem familiären Umfeld, welches die natürliche Umgebung für das Wachsen und Gedeihen aller ihrer Mitglieder, insbesondere der Kinder ist, herausgelöst ist, hat Anspruch auf besonderen Schutz und Beistand des Staates.“
3 WFA-KJV BGBl. 2012/495
4 z. B. § 23 Abs. 4 JWG „Selbsthilfegruppen von Personen, die von Jugendwohlfahrtsmaßnahmen betroffen sind oder waren, können vom Land gefördert werden.“ Oder: § 32 Abs. 1 „Pflegeeltern ... sollen ... Supervision erhalten.“
5 § 8 „…soll muss eine öffentlich rechtlich anerkannte Akademie für Sozialarbeit abgeschlossen haben.“
6 Leitfaden für gewaltfreie (sozial-)pädagogische Einrichtungen

 

Weiterführende Texte:

Ergebnisse der Fachtagung "Herausgerissen - Was stärkt fremduntergebrachte Kinder?" (Tagungsband und Videomitschnitt)

Stellungnahmen der Kinder- und Jugendanwaltschaften Österreichs zum Gesetzesentwurf des B-KJHG (11.November 2008, 11. November 2009, 25. März 2010 und 13. April 2012)

 

 

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