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Befrieden statt Bekriegen

Im Bildungshaus St. Virgil fand im Rahmen des Symposium "Wer steht mir bei?" eine Bestandsaufnahme des österreichischen Kinderbeistandes statt.

Zwei Erwachsene streiten sich um die Obsorge der Kinder.

Bild (Schütz / pixelio): Trennen sich die Eltern, werden die Bedürfnisse des Kindes oft übersehen.

Seit fünf Monaten ist in Österreich das Kinderbeistandsgesetz in Kraft. Bei einem Symposium des Bildungshauses St. Virgil in Kooperation mit den Kinder- und Jugendanwaltschaften Österreichs und den "Frühen Hilfen" Köln wurde Bilanz gezogen - hält der österreichsche Kinderbeistand, was er verspricht?

Auf Grundlage der UN-Kinderrechtskonvention wurden bereits in 25 europäischen Ländern Interessenvertretungen für Kinder in Pflegschaftsverfahren etabliert, in Österreich haben seit 01.07.2010 RichterInnen unter gewissen Voraussetzungen einen Kinderbeistand in Obsorge- und Besuchsrechtsstreitigkeiten zu bestellen.

Wie aber hat dieses Gesetz bisher der Wirklichkeit standgehalten, welche Vorteile bringt es mit sich, wo liegen die Schwächen? Diesen Fragen widmeten sich bei der Fachtagung "Wer steht mir bei - Qualitätsentwicklung im Kinderschutz" (22. bis 24. November) in St. Virgil ExpertInnen aus der Schweiz, Deutschland und Österreich.

Kinderbeistand nur dem Kind verpflichtet

Im Vergleich zu den Nachbarländern ist in Österreich die Ausgestaltung der Rolle des Kinderbeistands gut gelungen, sie basiert auf einem Vertrauensverhältnis zum Kind. Zu den Aufgaben des Kinderbeistands gehört, das Kind zu begleiten, Sprachrohr und Dolmetscher für seine Bedürfnisse zu sein, nicht aber zwischen den Eltern zu vermitteln, besser zu wissen, was für das Kind "gut" ist oder eine Meinung zu äußern, die nicht vom Kind autorisiert ist. Im Fokus steht in Österreich der Kindeswille, in Deutschland und der Schweiz hingegen eine Kombination aus Kindeswille und Kindeswohl, "was häufig der Quadratur den Kreises gleichkommt", wie es Dr. Thomas Meysen, Heidelberg, in seinem Referat bezeichnete. Ein weiterer Pluspunkt des österreichischen Kinderbeistandes ist die Kontakthäufigkeit zum Kind: Während das deutsche Pendant mit ein bis zwei Kontakten pro Fall auskommen muss, sind es in Österreich durchschnittlich 14.

Schon in der Pilotphase zeigte sich, dass in mehr als der Hälfte der Fälle der Wille des Kindes Berücksichtigung im Gerichtsurteil fand, aber selbst, wenn dies aus Kindeswohlgründen nicht der Fall war, veränderte sich das Klima im Gerichtssaal - aus einer Aktenzahl wurde ein Mensch mit Sorgen, Fragen und Bedürfnissen, was wiederum oft zu "Wachrüttelungseffekt" bei den Eltern führte.

Die Tatsache, dass der österreichische Kinderbeistand unabhängig ist und ausschließlich dem Kind zur Parteilichkeit und Verschwiegenheit verpflichtet ist, führte zu hoher Akzeptanz bei allen beteiligten Parteien. Ebenso als vorteilhaft erwiesen hat sich die psychosoziale Qualifikation des österreichischen Kinderbeistands - im Unterschied zu den überwiegenden juristisch ausgerichteten deutschen oder Schweizer KollegInnen.

Schwächen und Handlungsbedarf

In drei unterschiedlich zusammengesetzten interdisziplinären Qualitätszirkeln kamen die TagungsteilnehmerInnen auf ein übereinstimmendes Ergebnis, welches sich in folgende Forderungen zusammenfassen lässt:

  1. Rechtsanspruch: Die gesetzlichen Einschränkungen sowohl hinsichtlich der Altersgrenze (derzeit bei 14 bzw. 16 Jahren) als auch der Verfügbarkeit von Kinderbeiständen (".... ein Kinderbeistand ist zu bestellen, sofern dem Gericht geeignete Kinderbeistände zur Verfügung stehen ...“) müssen unbedingt aufgehoben werden. Es soll jedem Kind, unabhängig von Wohnort und Alter, ein Kinderbeistand garantiert sein.
  2. Anwendungsgebiet: Wie in den Nachbarländern soll ein Kinderbeistand in allen Pflegschaftsverfahren, von welchen Kinder betroffen sind (also beispielsweise auch bei Fremdunterbringung), bestellt werden.
  3. Verbesserte finanzielle Rahmenbedingungen sind notwendig: Derzeit sind 600 Fälle pro Jahr für ganz Österreich budgetiert, Kilometergeld für Kinderbeistandstätigkeit in entfernter gelegenen Regionen ist bislang nicht vorgesehen.
  4. Um die Unabhängigkeit und Qualität der Kinderbeistände zu gewährleisten, sind österreichweit einheitliche Strukturen zu schaffen. Über eine Trägerorganisation (Dachverband) sollen Supervision, Fortbildungen, Vermittlung, Vernetzung sowie Öffentlichkeitsarbeit organisiert werden.

Andrea Holz-Dahrenstaedt, Salzburgs Kinder- und Jugendanwältin, resümiert nach der Tagung: "Der österreichische Kinderbeistand kann den Kindern in Pflegschaftsverfahren Stimme geben und so mithelfen zu verhindern, dass ihre Bedürfnisse unter die Räder geraten, übersehen oder gar instrumentalisiert werden. Damit dies auch tatsächlich wirkungsvoll erreicht werden kann, gibt es aber noch viel zu tun. Zunächst müssen alle ausreichend informiert werden, und die Rahmenbedingungen entsprechend den Erfordernissen angepasst werden. Wir fordern daher die politisch Verantwortlichen dringend auf, diesen kinderrechtlichen Meilenstein nicht halbherzig verkommen zu lassen.

Hintergrund

Rund 25.000 Kinder und Jugendliche sind in Österreich jährlich von der Trennung ihrer Eltern betroffen, nicht mitgezählt sind dabei diejenigen, deren Eltern nie verheiratet waren. Durch die Trennung werden die Kinder mitunter unfreiwillig zum Mittelpunkt von gerichtlichen Auseinandersetzungen, da die Eltern in dieser belastenden Lebenssituation oft nicht in der Lage sind, die Bedürfnisse ihrer Kinder wahrzunehmen. Um diese jedoch besser zu gewährleisten, wurde - ausgelöst durch einen spektakulären Fall - von 2007 bis 2009 an vier Standorten in Österreich das Modellprojekt "Kinderbeistand" erprobt und wissenschaftlich begleitet. Das erfolgreiche Projekt gab den Anstoß für das seit 01.07.2010 geltende Kinderbeistandsgesetz. Mittlerweile gibt es österreichweit 68 Kinderbeistände, die seit Inkrafttreten in rund 60 Fällen tätig waren.

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