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Neue Studie zu Gewalt in der Erziehung

Kinder, Jugendliche und Erwachsene in Salzburg befragt - Auswirkungen psychischer Gewalt werden unterschätzt!

 

Bild (Christine Schrattenecker / LMZ): Es braucht mehr Aufklärung und Bewusstseinsarbeit gegen jegliche Form von Gewalt an Kindern.

Eine Ohrfeige. Beschimpfungen. Bestrafungen. Demütigungen. Was zählt als Gewalt? Eine aktuelle Salzburger Studie des Instituts für Grundlagenforschung (IGF) belegt, dass noch viel zu wenig bewusst ist, wo Gewalt in der Erziehung beginnt. Die Studie wurde anlässlich des seit 30 Jahren gesetzlich verankerten Verbots vom Land Salzburg, der Kinder- und Jugendanwaltschaft (kija) Salzburg und dem Kinderschutzzentrum in Auftrag gegeben. Befragt wurden Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Es handelt sich dabei um einen erweiterten Vergleich zu einer 2014 durchgeführten Befragung.
„Die Studie zeigt einmal mehr auf, wie wichtig es ist, über das Thema Gewalt in der Erziehung zu sprechen und zu informieren. Oft werden alte Glaubenssätze und Erziehungsweisen von einer Generation unhinterfragt in die nächste transportiert. Hier möchten wir ansetzen, um eine Veränderung zu erzielen. Unsere politische Aufgabe ist es auch, ausreichend Hilfen und Unterstützungen anzubieten. Mit unseren Präventions- und Frühe-Hilfen-Angeboten stärken wir Eltern in schwierigen und überfordernden Lebenssituationen. So sorgen wir dafür, dass Kinder geschützt aufwachsen können“, betonte heute Landeshauptmann-Stellvertreter Heinrich Schellhorn bei der Präsentation der Ergebnisse in Salzburg.

Leichte Ohrfeige für jeden Zweiten okay

Fast alle Befragten lehnen heute die Anwendung schwerer Gewalt in der Erziehung, etwa das Schlagen mit einem Gegenstand, klar ab und wissen, dass das verboten ist. Jedoch scheint es bei der Ablehnung leichterer physischer und psychischer Gewalt einen Rückgang zu geben. Glaubten 2014 noch 92 Prozent, dass es verboten sei, dem Kind eine kräftige Ohrfeige zu geben, waren es 2019 nur noch 84 Prozent. Bei „einen Klaps auf den Hintern geben“ ging die Einschätzung von 48 Prozent auf 34 Prozent zurück und bei der „leichten Watsche“ von 62 auf 49 Prozent. Das bedeutet, dass heute jeder zweite Erwachsene glaubt, dass es dem Gesetz nach in Ordnung ist, ein Kind zu ohrfeigen. Jeder Vierte (24 Prozent) glaubt, dass eine „gsunde Watschn“ niemandem schadet. 2014 lag dieser Wert mit 17 Prozent noch deutlich darunter.

Junge Erwachsene unterschätzen psychische Gewalt

Der Trend setzt sich fort, was die Beurteilung von psychischer Gewalt betrifft. Jeder Dritte meint, das Kind als Versager zu beschimpfen, sei zumindest dem Gesetz nach erlaubt. Gleichzeitig ist demütigendes Erziehungsverhalten mit 60 Prozent die am häufigsten wahrgenommene Form der Gewalt. Besonders die Altersgruppe der 18- bis 29-Jährigen unterschätzt die Bedeutung psychischer Gewalt: Mit dem Kind als Bestrafung eine Woche lang nicht zu sprechen, empfinden zwar 73 Prozent der über 60-Jährigen als Gewalt, aber nur 50 Prozent der 18- bis 29-Jährigen. Dass sich dieses Verständnis von „was ist normal und was ist erlaubt“ auch bei den Kindern fortsetzt, liegt nahe. So glauben 34 Prozent der Kinder, es sei erlaubt, sie zu beschimpfen und anzuschreien. 2014 lag dieser Wert noch bei 21 Prozent. Für die Kinder scheint das Angeschrienwerden auch zunehmend zum Alltag zu gehören. Während 2014 nur 39 Prozent sagten, sie kennen jemanden, der von den Eltern angeschrien wird oder sie werden selber beschimpft, stieg der Wert auf 60 Prozent an.

Persönliche Überlastung

Immerhin 96 Prozent aller befragten Erwachsenen sehen das Gespräch als beste Form der Konfliktbewältigung an und stimmen zu, dass Kinder das Recht auf eine gewaltfreie Kindheit haben. Warum es dennoch zu Gewalt kommt, schätzen sie sehr realistisch ein. Der am häufigsten genannte Grund ist die persönliche Überlastung, dicht gefolgt von eigenen Erfahrungen, finanziellen Problemen, beruflicher Überforderung, mangelnder Unterstützung vom Partner und Zeitmangel.

„Es geht niemanden etwas an“

Obwohl die Schieflagen in der Familie also durchaus erkannt werden, sagen immer noch 28 Prozent der Befragten, dass es niemanden etwas angeht, was in der Familie passiert. Männer stimmen dieser Aussage sogar noch stärker zu als Frauen, die offensichtlich eher gewillt sind, Hilfe von außen anzunehmen. Positiv ist, dass der Wert im Vergleich zu 2014 zurückgegangen ist. Damals lag er noch bei 39 Prozent. Leider ist jedoch auch hier der Trend so, dass junge Erwachsene weniger zugänglich sind als ältere. Während nur 19 Prozent aus der Gruppe der 45- bis 59-Jährigen der Aussage zustimmen, sind es bei den jungen Erwachsenen mit 37 Prozent fast doppelt so viele.

69 Prozent kennen Gewaltverbot

69 Prozent der Befragten wissen über das Gewaltverbot Bescheid. Damit liegt das Land Salzburg um 16 Prozentpunkte vor dem bundesweiten Durchschnittswert. Die Kinderrechte sind 60 Prozent der Befragten bekannt. Hier schneiden die jungen Erwachsenen schlechter ab, weil hier nur jeder Zweite diese Rechte kennt. Im Österreichvergleich schneiden die Salzburger sehr gut ab und liegen um zehn Prozentpunkte vor dem bundesweiten Durchschnittswert. Erfreulich ist auch die Entwicklung bei den Kindern und Jugendlichen. Von ihnen kennen 67 Prozent die Kinderrechte, das ist ein Anstieg um 15 Prozent im Vergleich zu 2014.

Trattner: Anlaufstellen wichtiger denn je

"Das Kinderschutzzentrum betreut jährlich fast 500 Kinder und Jugendliche, die alle von einer massiven Verletzung der Kinderrechte betroffen sind. In nahezu allen Fällen geht es in irgendeiner Form um Gewalt. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass der Bedarf an niederschwelliger Beratung und therapeutischer Unterstützung weiterhin sehr hoch ist und in den nächsten Jahren vermutlich weiter zunehmen wird. Es ist wichtiger denn je, dass es Anlaufstellen wie das Kinderschutzzentrum gibt", betonte dessen Geschäftsführer Peter Trattner bei der Präsentation der Ergebnisse.

Holz-Dahrenstaedt: Bewusstseinsarbeit und Prävention

Insgesamt brachte die Studie zur Gewalt in der Erziehung in Salzburg eher ernüchternde Ergebnisse zu Tage. Deutlich zeigt sich, dass Gesetze zwar die Voraussetzung sind, um die Realität zu verändern. „Um aber wirklich nachhaltig etwas zu bewegen, braucht es deutlich mehr“, so Kinder- und Jugendanwältin Andrea Holz-Dahrenstaedt, die auf die Bedeutung von laufender Bewusstseinsarbeit, Prävention und niederschwelligen Hilfsangeboten hinweist.

Ansprechpartner außerhalb der Familien

„Das Recht auf eine gewaltfreie Kindheit ist eines der fundamentalsten Kinderrechte und seit 2011 sogar in der österreichischen Bundesverfassung verankert. Strenge Strafen und eine Ausweitung der Anzeigepflicht allein sind jedoch kein wirksamer Kinderschutz. Vielmehr brauchen Eltern so früh wie möglich emotionale, psychosoziale und finanzielle Unterstützung und konkrete Angebote, was sie bei Überforderung tun können. Kinder brauchen außerhalb der Familie leicht zugängliche Ansprechpersonen (z. B. VertrauenslehrerInnen, SchulsozialarbeiterInnen oder kija- oder Kidsline-BeraterInnen), denen sie sich bei familiärer Gewalt anvertrauen können. Hier kommt den Schulen und Kindergärten eine sehr wichtige Aufgabe zu“, so Holz-Dahrenstaedt.

Kinderrechte in Lehrplänen verankern

Aus Sicht der Kinder ist die Schule der für sie konfliktreichste Ort. Gleichzeitig passiert dort aber auch die wichtige kinderrechtliche Bildung, und es gelingt, durch aufmerksame Pädagogen Kindern Hilfe anzubieten. Die kija Salzburg möchte die Kinderrechte durch verstärkte Besuche in den Schulen noch bekannter machen. Ziel ist es, die Kinderrechte in allen Lehrplänen zu verankern. „Auch im Bildungs- und Gesundheitsbereich ist es wichtig, das Bewusstsein zu diesem Thema zu stärken“, betont Holz-Dahrenstaedt. Und Sozialreferent Schellhorn unterstreicht: „Die Kinder- und Jugendhilfe des Landes unterstützt Familien bei Erziehungsproblemen mit Angeboten der sozialpädagogischen Familienbetreuung.“

Gesetzliche Grundlage: Fürsorge, Geborgenheit und Sorgfalt

Gesetzliche Grundlage ist übrigens Paragraf 137 des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB): „Eltern haben das Wohl ihrer minderjährigen Kinder zu fördern, ihnen Fürsorge, Geborgenheit und eine sorgfältige Erziehung zu gewähren. Die Anwendung jeglicher Gewalt und die Zufügung körperlichen oder seelischen Leides sind unzulässig.“

§ 137, ABGB
(2) Eltern haben das Wohl ihrer minderjährigen Kinder zu fördern, ihnen Fürsorge, Geborgenheit und eine sorgfältige Erziehung zu gewähren. Die Anwendung jeglicher Gewalt und die Zufügung körperlichen oder seelischen Leides sind unzulässig.

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