***News Einzelansicht***

Offener Brief zur Kompetenzbeschneidung der Salzburger Landesumweltanwaltschaft

Sehr geehrte Frau Landeshauptfrau,

als Kinder- und Jugendanwältin des Landes Salzburg verfolge ich mit zunehmender Sorge die öffentliche Debatte rund um die Beschneidung der Kompetenzen der Landesumweltanwaltschaft Salzburg. 

Die jeweiligen Landesumweltanwaltschaften der Bundesländer wurden mit dem Ziel eingeführt, in den naturschutzrechtlichen Verfahren für die Natur eine annähernde „Waffengleichheit“ herzustellen.1  Darüber hinaus kommt ihnen – wie anderen weisungsfreien und unabhängigen Anwaltschaften – eine wichtige demokratiepolitische Kontrollfunktion innerhalb des österreichischen Rechtssystems zu. 2 So wird z.B. im Bericht der Europäischen Kommission über die Rechtsstaatlichkeit 2024 die grundlegende Bedeutung von nationalen Menschenrechtsinstitutionen, Bürgerbeauftragten, Gleichstellungsstellen und anderen unabhängigen Behörden bei den nationalen Kontrollen und Gegenkontrollen betont.3

Natur- und Umweltschutz ist Kinderschutz

Österreich hat 1992 die UN-Kinderrechtskonvention ratifiziert und sich damit verpflichtet, die darin garantierten Kinderrechte zu beachten. In weiterer Folge wurden die wichtigsten Kinderrechte 2011 im Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern (BVG Kinderrechte) verankert. Beide Rechtsquellen enthalten Kinderrechte, die einen direkten Bezug zum Natur-, Umwelt- und Klimaschutz aufweisen. Österreich ist daher dazu verpflichtet, bei jeglichen diese Bereiche betreffenden Maßnahmen auch die Auswirkungen in Form möglicher Kinderrechtsverletzungen zu beachten.

Aber ein sorgsamer und weitsichtiger Zugang zu Natur- und Umweltschutz ergibt sich nicht nur aus dem formellen Recht, es besteht auch ein demokratischer Auftrag von der Salzburger Jugend. Demnach sorgen sich laut „akzente Jugendreport 2023“ 30 Prozent der befragten Salzburger Jugendlichen wegen des Klimawandels, in der Gruppe der 18-20-Jährigen sind es sogar 38 Prozent.4

Intakte Ökosysteme – also gesunde Wälder, Böden, Moore und Grünflächen – stellen einen wirksamen und direkten Klimaschutz dar. Sie sind ein natürlicher CO2-Speicher und schützen vor klima- und wetterbedingten Katastrophen wie Überflutungen und Stürmen.5

Der UN-Kinderrechtsausschuss hat sich 2023 in seiner „Allgemeinen Bemerkung Nr. 26“ mit den Zusammenhängen von Umweltschutz, Klimawandel und Kinderrechten intensiv auseinandergesetzt und spricht von einer „dreifachen planetaren Krise“: Klimanotstand, Verlust der Biodiversität und der allgegenwärtigen Umweltverschmutzung.

Dass der Naturschutz also immer untrennbar mit der Entwicklung und dem Schutz des weltweiten Klimas gesehen werden muss, ist offensichtlich.

Es bestürzt mich daher sehr, dass in Salzburg nun konkrete gesetzliche Maßnahmen geplant sind, die den Umweltschutz im Bundesland Salzburg schwächen. Denn inwieweit es sich dabei um eine Schwächung des Schutzes von Kindern handelt, zeigt sich bei einem Blick auf die vier Grund-   prinzipien der Kinderrechtskonvention, die sich auch alle im BVG Kinderrechte wiederfinden:

  • Das Recht auf Gleichbehandlung und Schutz vor Diskriminierung:

Der UN-Kinderrechtsausschuss verweist darauf, dass die Folgen von Umweltschäden für gewisse Gruppen von Kindern besonders schwer schädlich und damit diskriminierend wirken, wie zum  Beispiel für Kinder mit Behinderungen. Österreich muss demnach als Vertragsstaat der UN-Kinderrechtskonvention sicherstellen, dass Gesetze und Politiken, die sich mit Umweltfragen befassen, weder in ihrem Inhalt noch in der Umsetzung diskriminierend wirken.6 Die derzeit beim EGMR anhängige Klage des erwachsenen Mex M. gegen Österreich macht die starken Beeinträchtigungen von Menschen mit Behinderung durch den menschengemachten Klimawandel sichtbar.

  • Vorrangigkeit des Kindeswohles:

Mit Art. 1 BVG Kinderrechte wurde auch das Prinzip der Vorrangigkeit des Kindeswohles in der österreichischen Verfassung verankert: „Jedes Kind hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge, die für sein Wohlergehen notwendig sind, auf bestmögliche Entwicklung und Entfaltung sowie auf die Wahrung seiner Interessen auch unter dem Gesichtspunkt der Generationengerechtigkeit.

Dass ein effektiver Umweltschutz – also die Möglichkeit, eine gesunde und intakte Natur als eigenen Lebensraum zu erfahren und nutzen zu können, sowie frei von gesundheitsschädlichen Auswirkungen aufwachsen zu können – das Kindeswohl schützt, bedarf keiner weiteren Ausführungen. Gerade der Begriff der Generationengerechtigkeit erfährt im Zusammenhang mit Natur- und Klimaschutz eine besondere Bedeutung und bestehen für den Österreichischen Staat positive Schutzpflichten zugunsten künftiger Generationen.7 Der UN-Kinderrechtsausschuss verweist in den allgemeinen Bemerkungen Nr. 26 mehrfach auf die Pflicht der Staaten, auch die Möglichkeit künftiger Schäden und Risiken zu berücksichtigen.

  • Förderung von Entwicklungschancen:

Art. 24 Abs. 2c UN-Kinderrechtskonvention verpflichtet die Vertragsstaaten, Krankheiten sowie Unter- und Fehlernährung zu bekämpfen und verweist hier insbesondere darauf, dass vollwertige Nahrungsmittel und sauberes Trinkwasser bereitzustellen sind, wobei auch künftige Gefahren und Risiken der Umweltverschmutzung zu berücksichtigen sind.

  • Recht auf Beteiligung und Berücksichtigung des Kindeswillens:

Bei der Entstehung der Allgemeinen Bemerkungen Nr. 26 des UN-Kinderrechteausschusses war die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen ein wesentlicher Aspekt. Auch bei dem von der    Bundesjugendvertretung organisierten Jugendklimarat 2024 stand die Forderung nach mehr Partizipation von jungen Menschen in der österreichischen Umweltpolitik im Mittelpunkt.8 Dass Kindern und Jugendlichen in Salzburg das Thema Umweltschutz ein wichtiges Anliegen ist, erleben wir in der Kinder- und Jugendanwaltschaft regelmäßig in unserer Arbeit mit jungen Menschen. Diese sind in ihren Sorgen und Wünschen ernst zu nehmen.

Landesumweltanwaltschaft: Dialog statt Kompetenzbeschneidung  

Nach wie vor erfüllt die Landesumweltanwaltschaft eine wichtige Aufgabe, wenn es darum geht, die öffentlichen Interessen im Natur- und Umweltschutz zu vertreten. Daran hat auch die Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit nichts geändert, da das Landesverwaltungsgericht nicht die  Aufgabe und Möglichkeit hat, im Sinne des Naturschutzes zu agieren, sondern dieses seine Aufgaben stets unparteiisch wahrzunehmen hat. Es braucht daher auch weiterhin eine Stelle, die als Organpartei Anträge stellen, Vorbringen erstatten und Rechtsmittel erheben kann. Und so wie alle Menschen in den unterschiedlichen gerichtlichen Verfahren sich eines kompetenten Rechtsvertreters bedienen können und in gewissen Fällen sogar müssen, braucht auch die Umwelt eine  kompetente Stelle, die ihre Rechte vertreten kann.

Die Beschneidung der Kompetenzen der Landesumweltanwaltschaft Salzburg stellt eine potenzielle Verletzung der völker- und verfassungsrechtlichen Verpflichtungen Österreichs in Bezug auf den Schutz der Rechte von Kindern dar und ist auch aus rechtsstaatlicher Sicht kritisch zu betrachten.

Ich möchte auch hervorheben, dass sich das Land Salzburg in seiner Landesverfassung zum Schutz der Rechte von Kindern und Jugendlichen auf Entwicklung sowie auf kindgerechte Beteiligung bekannt hat.

Ein Zitat aus dem Salzburger Jugendreport 2023 lautet: „Ich glaube, dass der Zusammenhalt der Menschen immer besser wird und deshalb wird auch die Zukunft für uns besser aussehen, da wir gemeinsam für die Umwelt sorgen.“

Als Kinder- und Jugendanwältin des Landes Salzburg spreche ich mich dafür aus, dass

  1. von der geplanten Gesetzesnovelle betreffend die Beschränkung der Kompetenzen der Landesumweltanwaltschaft Salzburg Abstand genommen wird,
  2. ein Dialog eingeleitet wird, der sich mit den offensichtlich bestehenden unterschiedlichen Ansichten zur Zusammenarbeit mit der Landesumweltanwaltschaft Salzburg sowie mit den Strategien des Salzburger Umweltschutzes befasst. Dieser Dialog soll unter Berücksichtigung des Rechtes auf Partizipation nach der UN-Kinderrechtskonvention, des BVG Kinderrechte und der Salzburger Landesverfassung und mit Beteiligung von Salzburger Kindern und Jugendlichen durchgeführt werden.

Mit freundlichen Grüßen

Johanna Fellinger

Kinder- und Jugendanwältin

 

Quellen:

Raschauer/Wessely, Handbuch Umweltrecht2, S. 607
 2 Berka, Verfassungsrecht7, Rz. 853
3 imfname_11403411.pdf (parlament.gv.at) 
4 Akzente Jugendreport A4_Salzburger_Jugendreport_Auswertung_komplett_2023_WEB.pdf (akzente.net) 
5 Der Schutz von Ökosystemen bedeutet Klimaschutz | Naturefund 
6 CRC/C/GC/26: General comment No. 26 (2023) on children’s rights and the environment with a special focus on climate change
7 Positionspapier der Kinder- und Jugendanwaltschaften Österreichs vom 26.05.2023: Analyse zu okologischen Kinderrechten und ihrer Umsetzung in Osterreich.pdf (kija.at) 
Klimajugendrat: Wir haben nachgehakt - Bundes Jugend Vertretung (bjv.at)

 

Suchen & Finden
Auf deiner Seite - kija Salzburg:

05 7599 729

Außerhalb der kija-Öffnungszeiten →
kids-line: 0800 234 123 (13:00 – 21:00 Uhr)

Folge uns auf:

School Checker App! School Checker App!
Deine Rechte, deine App! Deine Rechte, deine App!
kija Österreich
Salzburg gewaltfrei Salzburg gewaltfrei
Schriftgröße / Kontrast:
Schriftgröße anpassen:
Kontrast anpassen:

Kinder- und Jugendanwaltschaft (kija) Salzburg, Fasaneriestraße 35, 1. Stock 5020 Salzburg

Tel: +43 5 7599 729, Fax: +43 5 7599 72909