Kinder brauchen Platz zum Spielen!

Über Kreativität, Toleranz & die Öffnung von Spiel- und Sportplätzen – aus kinderrechtlicher Perspektive

Illustration: Teresa Menzel

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie treffen die Jüngsten in ganz besonderem Ausmaß und in mehrfacher Weise. So bedeuten die Beschränkungen der sozialen Kontakte sowie die Bewegungseinschränkungen im öffentlichen Raum schwerwiegende Einschnitte in ihre Entwicklung. Die kija Salzburg fordert daher in allen Bereichen, die die Interessen von Kindern betreffen, die Einleitung von Lockerungen im Einklang mit gesundheitsbezogenen Maßnahmen - ebenso wie etwa im Handel, der Gastronomie oder dem Sport.

Kinderrechte in der Krise

Kinderrechte sind verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte und dürfen auch in Krisenzeiten nicht einfach ausgesetzt werden.  Art. 1 des BVG Kinderrechte besagt, dass bei „allen Kinder betreffenden Maßnahmen das Wohl des Kindes eine vorrangige Erwägung sein muss“1 . Beschränkungen von Kinderrechten, wie aktuell zum Schutz der Gesundheit, sind nur zulässig, insoweit sie gesetzlich vorgesehen und absolut notwendig sind. Das bedeutet, es muss eine sorgfältige Prüfung der Verhältnismäßigkeit der gesetzten Maßnahmen in Bezug auf sonstige nachteilige Auswirkungen auf junge Menschen (Folgenabschätzung) vorgenommen werden.

Recht auf Freizeit und Spiel – Artikel 31

Unbestritten und wissenschaftlich mehrfach belegt ist, dass Spielen und Austoben im Freien essentiell für die motorische, kognitive und soziale Entwicklung von Kindern ist. Dementsprechend bedeutet eine länger andauernde Einschränkung des Bewegungsfreiraums eine gravierende Gefährdung der psychischen und physischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen, etwa durch eine Zunahme von Suchterkrankungen (z. B. Spiel- und Onlinesucht).2 Kinder aus Familien, die in beengten Wohnraum ohne Garten oder Balkon leben – in Österreich sind das etwa 20 Prozent der unter 18-Jährigen – sind von diesen negativen Auswirkungen noch stärker betroffen3 . Ein klarer Verstoß gegen Artikel 2, UN-Kinderrechtskonvention, wonach kein Kind diskriminiert werden darf!

Fehlentwicklungen jetzt gegensteuern – längerfristige Maßnahmen

Grundsätzlich sollte ein kindgerechter Spielplatz phantasieanregend und möglichst naturbelassen sein und Raum für ausreichende Bewegung bieten. Tatsächlich schrumpft der öffentliche Raum, in dem sich Kinder, Jugendliche und Familien frei bewegen können, aber laufend. Körperliche Betätigung muss zusehends sitzenden Tätigkeiten weichen. Längerfristig gesehen sollte daher durch einen innovativen Maßnahmenplan diesen Fehlentwicklungen gegengesteuert werden: Sei es durch einen Flächenwidmungsplan, der Grünlandflächen und Erholungsräume im Verhältnis zur Einwohnerzahl festlegt, sei es durch verkehrsberuhigte Wohngebiete und Spielstraßen und den Rückbau von Verkehrsflächen, sei es durch die tägliche Bewegungseinheit in der Schule oder durch Baumpflanzungen inkl. Nutzsträucher anstelle giftiger Ziersträucher. Hierfür gibt es zahlreiche internationale Best-Practice-Beispiele, aber auch brachliegendes ExpertInnenwissen vor Ort. Die kija fordert, dieses wichtige Thema auf der politischen Tagesordnung ganz nach oben zu setzen!

Sanfte Öffnung von Spiel- und Sportplätzen

Bis das allerdings realisiert wird, braucht es rasche und konkrete Maßnahmen zur schrittweisen Öffnung der öffentlichen Spielflächen. Für viele Familien sind sie oftmals der einzig leicht erreichbare Raum, wo die Bedürfnisse von Kindern anstelle von Verboten im Vordergrund stehen. Daher drängt die kija Salzburg auf eine alsbaldige geregelte Öffnung der Spiel- und Sportplätze.

Verantwortungsbewusste Erwachsene

Selbstverständlich wird es vor allem in der Verantwortung der Erwachsenen liegen, Kinder entsprechend zu begleiten und zu schützen. Aber mit Kreativität und Eigenverantwortung lassen sich Lösungen im Sinne der Kinder finden. Hier können die aktuell geltenden COVID-19-Regeln adaptiert und angewendet werden.

Vorschläge für öffentliche Spielplätze:

  • Abstand halten & Personenzahl festlegen
  • Gruppenweise Nutzung
  • Zeitliche Begrenzung / Öffnungszeiten festlegen
  • Aufsichtspflicht
  • Desinfektion der Spielgeräte vor und nach der Nutzung
  • Gelegenheit zum Händewaschen bzw. -desinfizieren
  • Masken oder Visiere in Spielangebote spielerisch einbauen
  • Hinweistafeln / Piktogramme – auch für Nicht-MuttersprachlerInnen

Bei größeren Spielplätzen sollten ausgebildete „SpielplatzlotsInnen“ oder FreizeitpädagogInnen auf das verantwortungsvolle Miteinander achten, Konflikte regeln, Geräte reinigen, Abstand-Spiele und Maskenbasteln anbieten oder koordinierende Ansprechperson für ehrenamtliche HelferInnen sein.

Vorschläge für Spielplätze in Siedlungen:
 
In kleineren Siedlungen könnte es in die Verantwortung der Familien bzw. der Hausverwaltung gelegt werden, Tage bzw. Zeiten für die familienweise Nutzung der Spielplätze zu vereinbaren. Ähnlich hat dies auch das SOS Kinderdorf gelöst.

Vorschläge für Sportvereine und Sportplätze:

Für viele junge Menschen sind Trainings und Treffen mit Gleichaltrigen beim Sport Teil des Alltags. Jetzt ist diese strukturgebende Freizeitbeschäftigung weggefallen. Gerade in Krisenzeiten kann Bewegung und sportliche Betätigung Ausgleich schaffen und stabilisieren. Daher sollten nicht nur Lockerungen für SpitzensportlerInnen überlegt und Golfplätze geöffnet werden.


Ähnlich den öffentlichen Spielplätzen sollten auch Sportplätze unter Einhaltung der Regeln wieder geöffnet werden und gezielte Angebote für Kinder und Jugendliche gesetzt werden. Die Sportplätze haben den notwendigen Platz zur Verfügung, um Bewegungsspiele und -programme unter Einhaltung der Abstandsregeln durchführen zu können.

Schauen wir aufeinander – schauen wir auf unsere Kinder

Wenn Kinder aufgrund des Lock down vermehrt zu Hause sind, kann es zu Reibereien kommen. Bauliche Gegebenheiten wie beengter Wohnraum, hellhörige Wände, kleine Kinderzimmer oder betonierte Innenhöfe, die den Schall auch noch verstärken, potenzieren das Problem. Kinder sind aber keine kleinen Erwachsenen, die ihren natürlichen Bewegungsdrang einfach einmal zurückstellen können.

Gegenseitige Rücksichtnahme ist in dieser außergewöhnlichen Zeit natürlich von uns allen gefordert:

  • Von Kindern, um die Gesundheit anderer zu schützen.
  • Von Erwachsenen, um das kindlichen Grundbedürfnis nach Bewegung und Spiel anzuerkennen.

Gesund bleiben

Im Vordergrund steht bei allen Corona Maßnahmen die Gesundheit. Gesundheit ist laut WHO ein weit zu fassender Begriff und bedeutet nicht ausschließlich frei von einer (Infektions-)Krankheit zu sein, sondern umfasst ganz wesentlich das körperliche, geistige und soziale Wohlbefinden. Es muss also bei einer Risikoabwägung auch darum gehen, die Auswirkungen von COVID-19-Maßnahmen auf die ganzheitlichen Gesundheitsaspekte zu prüfen und dabei Kinder und Jugendliche mindestens genauso in den Blick zu nehmen wie andere Zielgruppen auch.

Achten wir auf die Bedürfnisse ALLER und insbesondere die der Kinder & Jugendlichen – sie können sich am wenigsten zu Wort melden und brauchen unseren Schutz am dringendsten!

1 Artikel 1 BVG Kinderrechte, BGBl. I Nr. 4/2011
2 Vgl. Hein/dt. Psychiater/Interview Tagesspiegel vom 20.03. 2020: „Corona schränkt natürliche Entwicklung Pubertierender massiv ein“ - „Ein Online-Süchtiger, der jetzt in sein Zimmer gezwungen wird, das ist wie ein Alkoholiker, der in einen Schnapsladen eingeschlossen wird.“
3 Soziologe Johann Bacher, Universität Linz: https://orf.at/stories/3162444/