Die Kinder- und Jugendanwaltschaften Österreichs begrüßen grundsätzlich die Einigung zwischen dem Bund und den Ländern, welche den Weg frei macht für eine Beschlussfassung des Gesetzes im Ministerrat am 26. Februar 2013.
Im Zuge der parlamentarischen Beratungen sind allerdings dringend Änderungen vorzunehmen. Insbesondere ist die Verpflichtung, in Zukunft auf Verlangen der Jugendwohlfahrt alle Inhalte aus Beratungsgesprächen ausnahmslos mitzuteilen, zu ändern, um zu verhindern, dass Betroffene aus Angst vor Offenlegung privater Angelegenheiten keine Hilfe mehr suchen.
In den letzten fünf Jahren haben sich neben den Kinder- und Jugendanwaltschaften beispielsweise auch die Kinderschutzzentren, die Berufsverbände der PsychologInnen und SozialarbeiterInnen, die österreichische Ärztekammer und der Weiße Ring kritisch und ablehnend zu den Änderungen in den Bereichen Meldepflicht und Verschwiegenheitspflicht geäußert.
Verschwiegenheitspflicht wird untergraben
Die geplante Reform enthält eine erweiterte Mitteilungs- und Auskunftspflicht gegenüber den Kinder- und Jugendhilfe-Trägern. Einrichtungen zur psychosozialen Beratung mit den Fachpersonen aus verschiedenen Professionen (ÄrztInnen, PsychologInnen oder PsychotherapeutInnen) müssen Verdachtsmomente über Misshandlung, Quälen, Vernachlässigung oder sexuellen Missbrauch auf Verlangen der Jugendwohlfahrt ohne Ausnahme mitteilen. Auch wenn unumstritten ist, dass die Verantwortung und auch die Kontrollfunktion bei Kindeswohlgefährdung beim öffentlichen Jugendwohlfahrtsträger liegen muss, wird mit der in § 37 B-KJHG getroffenen Neuregelung der Mitteilungspflichten weit über das angestrebte Ziel hinausgeschossen.
Es ist zu befürchten, dass durch die sehr weitreichende und doch undifferenzierte Erweiterung des Kreises der Mitteilungspflichten sinnvoller Kinderschutz konterkariert wird.
„Das Vertrauensverhältnis zwischen KlientInnen und dem Helfersystem wird durch die neue Regelung stark in Frage gestellt und die Befürchtung besteht, dass sich die neue Regelung zum Nachteil der Kinder und Jugendlichen auswirkt“, gibt Kinder- und Jugendanwältin Andrea Holz-Dahrenstaedt zu bedenken.
Die Kinder- und Jugendanwaltschaften Österreichs fordern, dass die pauschale formulierte Aufhebung der Verschwiegenheitspflicht gegenüber dem Kinder- und Jugendwohlfahrtsträger einzuschränken ist. Ebenso problematisch ist in diesem Zusammenhang die Ausnahme der Verschwiegenheitspflicht gegenüber der Staatsanwaltschaft und den Gerichten im Strafverfahren, die wiederum einen Vertrauensverlust von hilfesuchenden Kindern und Jugendlichen bedeuten wird und daher wird eine nochmalige Überarbeitung/Aufhebung des § 6 Abs. 4 gefordert.
Zu begrüßen sind zwar die Auskunftsrechte der Behörde gegenüber den betroffenen Kindern und Jugendlichen, allerdings ist im Sinne der neu geforderten Transparenz eine Regelung vorzusehen, wie im Konfliktfall vorzugehen ist.
Abklärung Gefährdung des Kindeswohles durch Fachleute
Im Gegensatz zur Einschränkung der Verschwiegenheitspflicht wird die Mitteilungspflicht von Behörden entschärft. Polizei, Betreuungseinrichtungen oder Kindergärten und Schulen müssen Informationen an die Jugendwohlfahrt nur mehr dann weitergeben, wenn ein begründeter Verdacht auf eine strafrechtliche Handlung oder konkrete erhebliche Gefährdung besteht. Angesichts der grundsätzlichen Verschärfung der Mitteilungspflichten im aktuellen Gesetzesentwurf ist diese Einschränkung nicht nachvollziehbar. Die Einschätzung einer Gefährdung von Kindern und Jugendlichen sollte zwingend durch Fachpersonen vorgenommen werden.
Einsetzung eines unabhängigen Jugendhilfe-Beauftragten
In den letzten Jahren wurden insgesamt vier Entwürfe zur Begutachtung versandt. Viele Fachleute haben in teilweise sehr umfangreichen Stellungnahmen viele Kritikpunkte benannt. Von diesen Anregungen sind viele vor allem auf Grund auf dadurch entstehende Kosten, wie z. B. die Gefährdungsabklärung im „verpflichtenden 4-Augen-Prinzip“, nicht berücksichtigt worden. Daher ist es jetzt nötig, die Umsetzung des Gesetzes zu evaluieren und die gesetzliche Grundlage in Zusammenarbeit mit den Ländern und unterschiedlichsten Fachpersonen und Berufsverbänden weiter voranzutreiben!