Bei Konflikten, insbesondere bei Scheidungen/Trennungen der Eltern wird oftmals auf die Interessen und Bedürfnisse der Kinder vergessen. Bisweilen sitzen die Zerwürfnisse zwischen den Eltern so tief, dass über Obsorge, Besuchsrecht und Unterhalt der „Trennungskrieg“ weitergeführt wird und Kinder von ihren Eltern im Kampf gegen den jeweils anderen Elternteil missbraucht werden. Dies bedeutet für die Kinder oft den Verlust eines Elternteils. „Nicht die Eltern haben jedoch ein Recht auf „ihr Kind“, sondern Kinder haben ein Recht auf beide Elternteile, da die Möglichkeit zu regelmäßigem Kontakt grundlegend für die kindliche Entwicklung ist“ betonen die Kinder- und JugendanwältInnen. Insbesondere die entsprechende Begleitung und Vertretung der Kinder vor Gericht ist daher den österreichischen Kinder- und Jugendanwaltschaften (KIJAS) ein großes Anliegen.
Die Forderungen der Kinder- und JugendanwältInnen im Detail:
1. VerfahrensbegleiterInnen
Unabhängig vom Zustimmungsrecht des obsorgeberechtigten Elternteils sollten Kinder spätestens zum Zeitpunkt des Scheiterns von „AFA“ (siehe Punkt 2) eine „VerfahrensbegleiterIn“ im Pflegschaftsverfahren erhalten. Diese psychosoziale und juristische Verfahrensbegleitung (entweder eine Person oder wie in England zwei Personen im sog. „Tandem-Modell“) muss gesetzlich verankert und mit entsprechenden Rechten ausgestattet sein.
Die Aufgaben der VerfahrensbegleiterInnen:
Als Vertrauensperson des Kindes seine Bedürfnisse - auch versteckte Signale - wahrzunehmen, sein Umfeld und seine Lebensumstände zu kennen und als Interessensvertretung des Kindes vor dem Gericht bzw. Jugendamt und sonstigen involvierten Stellen zu fungieren. Einerseits soll der Kindeswille den Behörden transparent gemacht werden und andererseits das Gerichtsverfahren für die Kinder verständlich gemacht werden. In einigen Nachbarländern hat man sich zu dieser Problematik bereits seit langem Gedanken gemacht hat. Im Rahmen der Fachtagung „Trennung der Eltern –KindgeRECHT? Bedürfnisorientierte Modell zur Vertretung von Kindern bei Gericht“ wurden entsprechende Modelle aus Großbritannien, Deutschland und der Schweiz vorgestellt. Die Erfahrungen aus diesen Ländern sollen in das österreichische Modell einfließen. Die Erfahrungen in diesen Ländern zeigen vor allem, wie wichtig die klare gesetzliche Verankerung sowie die Weisungsfreiheit und Unabhängigkeit vom Gericht und jeder anderen Behörde. Darüber hinaus betonten die ReferentInnen aus den Nachbarländern die Bedeutung einer entsprechende psychosoziale Ausbildung und möglichst langjährige Erfahrung in der psychosozialen Arbeit. In Kooperation mit den Kinder- und Jugendanwaltschaften der einzelnen Bundesländern sollten entsprechende Pilotprojekte gestartet werden. Im Rahmen der Fachtagung kristallisierte sich ein breiter Konsens heraus. VertreterInnen aller Veranstalter (Österreichische Kinder- und Jugendanwaltschaften, Österreichischer Rechtsanwaltskammertag, Bundesministerium für Soziale Sicherheit und Generationen und Konsumentenschutz und Bundesministerium für Justiz) betonten die Wichtigkeit einer Verfahrensbegleitung für Kinder. Alle gaben sich überzeugt, dass eine entsprechende Regelung kommen müsse und werde, es komme nur noch auf die konkrete Ausgestaltung an.
2. Außergerichtlicher Familienausgleich
Parallel zum gerichtlichen Verfahren sollten die Streitparteien verpflichtet werden, in Strukturen teilzunehmen, die analog zum Außergerichtlichen Tatausgleich in einem geregelten Verfahren - einerseits mit staatlicher Autorität, andrerseits mit geeigneten Methoden - zur Stärkung der Selbstverantwortung der Eltern beitragen. Eine Art „Außergerichtlicher Familienausgleich“ (AFA) tut Not. Sollten diese – in jedem Scheidungs-, Obsorge- und Besuchrechtsverfahren verpflichtenden - Familiengespräche mit geeigneten MediatorInnen-Teams unter zumindest fallweiser Einbeziehung der „VerfahrensbegleiterIn“ (aber ansonsten ohne Teilnahmen von RechtsanwältInnen!) scheitern, werden die wesentlichen Gründe dem Gericht dargelegt und fließen in die Entscheidung mit ein. Die KIJAs regen auch dazu Pilotprojekte in den einzelnen Bundesländern an.
3. Besuchsbegleitung
Mit der gesetzlichen Einführung der Besuchsbegleitung im Kindschaftsrechtsgesetz 2001 wurde die Grundlage für Besuchsbegleitung geschaffen. Leider wurde jedoch verabsäumt eine Regelung über Zuständigkeit und Kostentragung zu treffen. Dadurch kam diese an sich zu begrüßende Hilfestellung bis jetzt nur sehr eingeschränkt zur Anwendung. Damit Kinder zusätzlich zu den Belastungen, die mit einer Trennung verbunden sind, ein möglichst störungsfreier Kontakt zu beiden Elternteilen erhalten bleibt, soll Besuchsbegleitung flächendeckend und bedarfsorientiert angeboten werden. Einheitliche Standards, Zugangsvoraussetzungen und Tarife sind zu entwickeln. Eventuell kann derselbe Personenkreis auch als VerfahrensbegleiterInnen herangezogen werden, da diese als Vertrauenspersonen sowohl bereits dem Kind bekannt als auch mit der Familiendynamik vertraut sind.
4. Verkürzung der gerichtlichen Verfahren
Eine weitere zentrale Forderung der Kinder- und Jugendanwältinnen sind die Verkürzung der gerichtlichen Verfahren durch einen verkürzten Instanzenzug sowie festgelegte Fristen und Zeitrahmen innerhalb derer Verfahren abgeschlossen werden müssen. Besonders hingewiesen haben die Kinder- und JugendanwältInnen heute auch auf die Verantwortung der Medien. Jedes Kind hat laut Kinderrechtskonvention das Recht auf Schutz der Privatsphäre. Wenn - möglicherweise in falsch verstandener Absicht „zu helfen“ - Identitäten und Details aus dem Familienleben preisgegeben werden, ist dies eindeutig eine Kinderrechtsverletzung mit einer einhergehenden Stigmatisierung des Kindes und der Familie und in der Öffentlichkeit. Zur Vermeidung zukünftiger Fälle sollten daher Presserat und andere Gremien, die sich journalistischer Ethik verpflichtet fühlen, mit der grundsätzlichen Frage von Berichterstattung in Sorgerechtsstreitigkeiten befasst und medienrechtliche Maßnahmen ergriffen werden.