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Gewalt: Neuerungen im Sicherheitspolizeigesetz

Vielen ist der tragische Vorfal vom Mai 2012 noch in Erinnerung: Ein Vater kam in die Schule seines achtjährigen Sohnes und schoss dem Buben in den Kopf. Nun ist ein neuer Entwurf des Sicherheitspolizeigesetzes in Begutachtung.

Stellungnahme zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz geändert wird und Verstöße gegen bestimmte einstweilige Verfügungen zum Schutz vor Gewalt und zum Schutz vor Eingriffen  in die Privatsphäre zu Verwaltungsübertretungen erklärt werden (SPGNovelle 2013); Begutachtungsverfahren,GZ: BMI-LR1300/0054-III/1/2012

Zum obgenannten Gesetzesentwurf erlauben sich die Kinder- und Jugendanwaltschaften Österreichs innerhalb offener Frist folgende Stellungnahme abzugeben:

Die Kinder- und Jugendanwaltschaften begrüßen die Intention des Gesetzgebers, die Befugnisse der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes zum Schutz von unmündigen Minderjährigen vor gewalttätigen Übergriffen, sowie zur Durchsetzung gerichtlicher einstweiliger Verfügungen zum Schutz gefährdeter Personen, auszuweiten. Hierbei gilt es aber genau zu eruieren, ob mit der vorliegenden Novelle das Auslangen gefunden werden kann und die geplanten Änderungen zu einem umfassenden Schutz für Kinder und Jugendliche führen. Besonders auffällig ist dabei die Zielformulierung, in der die Verbesserung des Schutzes von unmündigen Minderjährigen betont wird. Mündigen Minderjährigen darf dabei die Schutzwürdigkeit aber keinesfalls abgesprochen werden!

Im Einzelnen möge deshalb angemerkt werden:

Zu Art. 1

§ 38a Abs. 1 Z 2

Vorgesehen ist eine Ausdehnung des sicherheitspolizeilichen Betretungsverbotes auf Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen, die zur Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht besucht werden, wenn unmündige Minderjährige direkte Opfer von Gewalt sind. Positiv anzumerken ist, dass die sicherheitspolizeilichen Maßnahmen eine Ausweitung erfahren, wenn
aufgrund gewalttätiger Übergriffe oder vorangegangener Drohungen ein (weiterer) Angriff auf das Leben, die Gesundheit oder Freiheit unmündiger Minderjähriger bevor steht. Auch wenn dadurch ein verbesserter Schutz für unmündige Minderjährige ermöglicht wird, plädieren die Kinder- und Jugendanwaltschaften dafür, noch einen Schritt weiter zu gehen:

Mündige Minderjährige müssen ebenso als Normadressaten dieser Gesetzesänderung verstanden werden. Auch gemäß Art. 1 der UN-Kinderrechtskonvention werden Jugendliche zwischen dem 14. und 18. Lebensjahr unter den Begriff Kind subsumiert, genauso wie § 4 lit. 1 Bundes- Kinder- und Jugendhilfegesetz auf den Schutz von Kindern und Jugendlichen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr abstellt. Verwiesen werden möge des Weiteren auf die neue Fassung des § 138 ABGB, wonach auf alle, das minderjährige Kind betreffende Angelegenheiten abgestellt und damit die Schutzbedürftigkeit ebenfalls bis zur Volljährigkeit ausgedehnt wird.

Weiters sollen Betretungsverbote den Erläuterungen zufolge auf Pflichtschulen und institutionelle Kinderbetreuungseinrichtungen, nämlich auf öffentliche und private Kindergärten und Kinderkrippen, ausgedehnt werden können. Auch wenn die Grenze der Maßnahme bei der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in die Rechtsphäre des/der „GefährderIn“ gezogen wird, muss hinterfragt werden, ob mit dieser taxativen Aufzählung an Einrichtungen das Auslangen gefunden werden kann und gefährdete Kinder und Jugendliche so ausreichend geschützt werden können. Gerade wenn in den Erläuterungen hervorgehoben wird, dass es ein Leichtes für den/die „GefährderIn“ sei, seine Opfer an Orten aufzuspüren, die sie jedenfalls aufsuchen werden, muss die Auswahl an geschützten Orten weiter gezogen werden. Gedacht werden möge an schulische oder auch private Nachmittagsbetreuungen, wie beispielsweise Schülerhorte, Betreuungssysteme durch Tageseltern oder Großeltern. Im Jahr 2011 gab es laut einer Erhebung des Bundesministeriums für Wirtschaft, Familie und Jugend über 3.200 Tageseltern in Österreich, 30 Prozent der Teilzeitbeschäftigten, sowie 18 Prozent der Vollzeitbeschäftigten nahmen täglich die Betreuung durch ihre Eltern in Anspruch1.

Den Aufenthalt in solchen Einrichtungen bzw. bei diesen Privatpersonen von der Schutznorm auszunehmen, erscheint nicht nachvollziehbar. In Betrachtung gezogen werden müssen aber auch weiterführende Schulformen oder die Situation von Jugendlichen, die sich nicht für eine schulische Laufbahn entscheiden, sondern sich in einem Lehrverhältnis befinden und daher die Berufsschule besuchen. Soll diesen Minderjährigen mit Beendigung ihrer Pflichtschulzeit ein erweiterter Schutz abgesprochen werden? Die Kinder- und Jugendanwaltschaften sprechen sich deshalb für eine demonstrative Aufzählung möglicher Institutionen in § 38a Abs. 1 Z 2 aus, sodass eine einzelfallbezogene Betrachtung und eine an die individuelle Situation angepasste Vorgehensweise zulässig werden. Dazu soll der/die gefährdete mündige Minderjährige jedenfalls gehört werden.

§ 38a Abs. 4 Z 2

Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes werden - ergänzend zu § 37 des Bundes- Kinder und Jugendhilfegesetzes – verpflichtet, den Kinder- und Jugendhilfeträger über die Verhängung eines Betretungsverbotes zu informieren, wenn Unmündige betroffen sind. Diese gesetzliche Verankerung der Verpflichtung zur Informationsweiterleitung wird begrüßt und zugleich angeregt, auch den Anwendungsbereich dieser Schutzmaßnahme – analog zu § 4 lit.1 Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetz - auf Jugendliche bis zur Erreichung der Volljährigkeit auszudehnen.

§ 38a Abs. 8

Da solche Maßnahmen der Organe der Sicherheitspolizei in das Privat- und Familienleben der Betroffen tief eingreifen und weitreichende Konsequenzen nach sich ziehen können, ist aus Sicht der Kinder- und Jugendanwaltschaften eine fundierte und professionell begleitete Schulung für PolizistInnen im Zusammenhang mit der Anwendung der in den Erläuterungen genannten Checklisten zur konkreten Bewertung des Vorliegens einer Gefährdungssituation unabdingbar. Ebenso sind Fortbildungen für die MultiplikatorInnen im Umgang mit Minderjährigen in Gefährdungssituationen anzudenken. Dadurch soll insbesondere gewährleistet werden, dass die Überprüfung der Einhaltung eines Betretungsverbotes an Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen tatsächlich – wie in den Erläuterungen festgehalten – unter besonderer Bedachtnahme auf die Situation der Betroffenen, nämlich gefährdeter (unmündiger) Minderjähriger, erfolgt.

Zu § 56 Abs.1 Z 8

Auch eine Informationsweiterleitung durch die Sicherheitsbehörden an den/Die LeiterIn der jeweiligen Einrichtung gemäß § 38a Abs. 1 Z 2 wird von den Kinder- und Jugendanwaltschaften für notwendig erachtet. Dies soll – den Erläuterungen zufolge – im Wege eines persönlichen Gespräches durch die Polizei erfolgen, im Zuge dessen auch die notwendigen weiteren Schritte erörtert werden. Dadurch soll der/die LeiterIn der Einrichtung in die Lage versetzt werden, alle im Rahmen ihrer gesetzlichen oder vertraglichen Aufsichtspflicht zum Schutz des gefährdeten Kindes erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Um die Zielsetzungen der Novelle sicherzustellen, wird es jedoch für notwendig erachtet, dass die Organe der Sicherheitsbehörden verpflichtet sind, die Leiter und Leiterinnen auf diese Aufgabe vorzubereiten und bei der Setzung dieser Schritte und Maßnahmen – abermals unter besonderer Bedachtnahme auf die Situation der gefährdeten Minderjährigen – anzuleiten. Die Kinder- und Jugendanwaltschaften regen somit an, eine Verpflichtung zur Anleitung der LeiterInnen durch die Organe der Sicherheitsbehörden in den Gesetzestext des § 56 Abs. 1 Z 8 aufzunehmen.

Weiters scheint es geboten, dass auch auf diese Schutzmaßnahme im Bedarfsfall bei allen Kindern und Jugendlichen bis zum 18. Lebensjahr zurückgegriffen werden kann. Sollte es in Betracht gezogen werden, § 38 a Abs. 1 Z 2 auf weitere Einrichtungen oder Privatpersonen (z. B. Tageseltern, Großeltern, ...) auszudehnen, ist die Formulierung „... an den/die LeiterIn der jeweiligen Einrichtung ...“ entsprechend anzupassen.

Zu Art. 2

§ 1

Ebenso wird die Schaffung eines Verwaltungsstraftatbestandes zur effektiveren Durchsetzung Einstweiliger Verfügungen gemäß §§ 382b, 382e Abs. 1 Z 1 und Z 2 erster Fall und § 382g Abs. 1 Z 1 und 3 der Exekutionsordnung durchaus befürwortet!

Abschließend weisen die Kinder- und Jugendanwaltschaften darauf hin, dass unabhängig von diesen Maßnahmen auch eine Zusammenarbeit mit den „GefährderInnen“ angedacht werden muss. Der Schutz gefährdeter Minderjähriger kann nicht alleine durch gesetzliche Regelungen – welchen Umfang diese auch haben mögen – sichergestellt werden.

1 Wernhart, Georg; Kaindl, Markus; Schipfer, Rudolf Karl; Tazi-Preve, Mariam Irene: Drei Generationen – eine Familie. Austauschbeziehungen zwischen den Generationen aus Sicht der Großeltern und das Altersbild in der Politik, S. 24, 2011, Innsbruck: Studienverlag Ges.m.b.H.

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